Drei Tagestouren östlich der Oder

Die ersten beiden Touren hat der Fahrradpartner als ADFC Tourenleiter geführt,

bei der dritten war er als Gast dabei


Tour 1: Küstrin / Kostrzyn nad Odra – Quartschen / Chwarszczany – Neudamm / Dębno – Vietz / Witnica 

Diese Tour musste kurzfristig improvisiert werden, war aber reicher an Höhepunkten als die ursprünglich geplante. Ursprünglich war vorgesehen, die Fähre von Gosdowice über die Oder zu nehmen und von Neutrebbin mit der Bahn wieder nach Berlin zu gelangen. Die Fähre war in diesem Jahr 2020 nicht in Betrieb. Wohl ein Opfer der Corona Pandemie. 

Auf die Kollegin Wanda aus dem Stettiner Marschallamt ist in solchen Fällen absolut Verlass. In kürzester Zeit hat sie eine Alternative geplant, die dann mit viel Vergnügen geradelt wurde. (Es ist zu erwähnen, dass Wanda in Westpommern jede Straße, jeden Feldweg kennt.) 

Nach Ankunft in Kostrzyn mit der RB 26 von Berlin-Ostkreuz ging es gleich zum ersten Höhepunkt der Tour, der Festung Küstrin, die durch ihre große Fläche de facto die Altstadt bildete. Man findet noch Spuren der alten Straßen und Gehwegborde, die Straßenschilder zeigen die historischen Namen. Ein Teil der Festungsmauern ist erhalten, bzw. aufwändig restauriert worden. In der Bastion Philipp befindet sich ein sehr informatives Museum. Am interessantes für mich war ein Video über eine Fahrt mit der Straßenbahn, in dem die Stadt einst und jetzt gezeigt wurde. 

Bis zum nächsten historischen Ort, dem Schloss Tamsel in Dąbroszyn konnten wir auf einem guten Radweg neben der Hauptstraße zügig und sicher vorankommen. 

Theodor Fontane hat in seinen Wanderungen durch die Mark Brandenburg Tamsel besucht und beschrieben. Besonders die Zeit, als Kronprinz Friedrich, der spätere König Friedrich II. von Preußen das Schloss mehrfach besuchte, machte den Ort bekannt. 

Zu Ende des Zweiten Weltkriegs war Schloss Tamsel Sitz des von General Schukow, dem Befehlshaber der Ersten Weißrussischen Front. Hier wurde der Sturm auf Berlin vorbereitet.  

Durch die hügelige, eiszeitlich geprägte Landschaft ging es zur Templer Kirche Chwarszczany / Quartschen, dem kulturellen Höhepunkt der Tour. 

Ab 1232 war der Ort ein Sitz der Tempelritter. Die aus Granit und Backstein errichtete Ordenskapelle ist ein herausragendes Beispiel frühgotischer Baukunst. Sie wurde im Jahr 1280 eingeweiht. (Aufgeführt in der Denkmalliste der bedeutendsten Bauwerke in Westpommern.) 

Der Name des Berliner Bezirks Tempelhof deutet ebenfalls auf die Aktivitäten des Ordens der Tempelritter im Brandenburgischen hin. 

Auf einem perfekt gebauten, nagelneuen Radweg, der Abschnitt der westpolnischen Route 3 „Blue Velo“ ist, glitt die Gruppe bis kurz vor Neudamm / Dębno nur so dahin. Radeln in schönster Form! 

Das Wahrzeichen von Dębno ist die vom Architekten Emil Flaminius, einem engen Mitarbeiter des Berliner Stadtbaumeisters Schinkel in der Zeit von 1852–1857 erbaute Dreischiffige Stadtkirche „Heilige Apostel Peter und Paul“. Als Vorbild diente die von Friedrich August Stüler entworfenen St.-Matthäus-Kirche im Berliner Bezirk Tiergarten

Die erholsame Mittagspause verbrachten wir am Ufer des Stadtsees mit den mitgebrachten Broten und dem in der Bäckerei gekauften Kuchen. Picknick gilt als wichtiger Bestandteil einer jeden ADFC Radtour. 

Im großen Bogen vorbei an der Erdgasförderanlage bei Barnówko dem „Polnisches Kuweit“ ging´s weiter Richtung Osten. Die Erdgasanlage hat für einen gut asphaltierten Weg gesorgt, auf dem uns gerade nur ein Lkw begegnet ist. Unter diesen Umständen erträgt man den leicht strengen Geruch doch ganz gut. 

Durch Felder und Wälder gelangte die Gruppe auf überwiegend guten und ruhigen Straßen die Stadt Witnica. Leider blieb keine Zeit mehr für einen Besuch im Gasthaus der berühmten Brauerei, um die Tour mit einem guten Bier und Pierogi gemütlich zu beenden. Der Zug nach Kosterzyn musste erreicht werden. 

Ein Bierchen aus dem Supermarkt musste für die Rückreise reichen. 

Da am Bahnhof Witnica kein Fahrscheinautomat existiert, konnten Tickets für Fahrräder und Radler problemlos beim Schaffner erworben werden. Da die Gruppe durchgängig das Seniorenalter erreicht hatte, konnten die Teilnehmer vom Seniorenrabatt der PKP profitieren - (Alles zusammen 17 PLN pro Person und Rad). 

Zum Radeln: https://www.komoot.de/tour/229853275?ref=wtd 

Templer Kirche Chwarszczany 

Schloss Tamsel

Alte  Schule mit Inschrift

Brandneuer Radweg nördlich von Chwarszczany 

... die erste Berliner Gruppe auf dem neuen Radweg

Tour 2: Besuch in der nördlichsten Winzerei in Polen

Mit dem RE 66 ab Gesundbrunnen ging es ohne Umsteigen durch bis Tantow. Über Abschnitte des Oder-Neisse-Radwegs wird die Oderbrücke bei Gryfino erreicht.
Auf der Fahrt durch die Stadt muss man die Augen offen halten, um die Schilder der Route 3 „Blue Velo“, zu entdecken. An der großen Kreuzung Hauptstraße / Armii Krajowej ist der  Hinweis „links abzubiegen“ leicht zu übersehen.
Dann aber geht es auf einem straßenbegleitenden Radweg bis zum Beginn der eigentlichen Route 3 auf der alten Bahntrasse von Gryfino / Greifenhagen nach Trzcinsko-Zdroj / Bad Schönfließ. 
Diese Nebenbahnstrecke wurde 1895 in Betrieb genommen und schon 90 Jahre später im Jahr 1986 wieder stillgelegt. Es ist als sehr positiv anzumerken, dass alte Bahntrassen als Radwege zu neuen Ehren kommen. Wer aufmerksam unterwegs ist, kann noch Relikte aus der Eisenbahnzeit entdecken. Kilometersteine und Bahnschotter sind hier und da zu finden. Dass der Weg auf einem Damm oder durch Einschnitte geführt wird, lässt auch für Laien die  ehemalige Bahnstrecke erkennbar werden.
Die in Bad Schönfließ erlebten Abenteuer sind im Kapitel zum „Blue Velo“ schon beschrieben. Bei jeder Fahrt auf dem Blue Velo bleibt die Erinnerung an die Nacht auf der Parkbank als Erlebnis der besonderen Art präsent.
22 Km nach Banie zeigt das Routenschild. Noch ist nicht die ganze Strecke asphaltiert. Man muss auf einen parallel führenden, recht gut zu befahrenden Waldweg ausweichen, der dann wieder auf den Bahntrassenradweg führt.
Südlich vom Ort Banie müssen Radfahrer aufpassen, um das mit grüner Farbe beschmierte Hinweisschild zur „Winnica Turnau“ nicht zu übersehen.
Ungefähr 2 Km weiter fühlt man sich nach Baden oder in die Pfalz versetzt, die ersten Weinfelder säumen den Weg und die Winnica Turnau, die nördlichste Winzerei in Polen, ist erreicht.  (https://winnicaturnau.pl/de)
Die Gruppe des ADFC Berlin wurde von Herrn Zbigniew Turnau auf das herzlichste begrüßt. Nach einer Führung durch die Winzerei mit Besichtigung der großen Edelstahltanks und der beeindruckenden Holzfässer zum Barriqueausbau der Rotweine, durfte die Gruppe sogar die hochmoderne Abfüllanlage besichtigen. Auch Sekt nach Champagner Art in Flaschengärung wird dort hergestellt.
Herr Turnau, der von Hause aus studierter Maschinen- und Schiffbauingenieur ist, berichtete über die Geschichte der Winzerei. Diese hat sich aus einem Agrargut entwickelt, in dem Getreide und Raps angebaut wurde. „Die günstige Lage und das den Früchten dienliche Klima warfen schließlich die Frage auf: Wie wäre es denn mit Wein? Die Familie einte der gemeinsame Traum der Rückkehr zu den Traditionen der Vorfahren und das Weingut Turnau wurde gegründet“ (gekürztes Zitat aus der Broschüre der Winnica Turnau).
Eine sehr gute Entscheidung, wie die Teilnehmer der Radtour einhellig bestätigen konnten. Vor dem historischen Gebäude, in dem die Winzerei untergebracht ist, konnten sich die Teilnehmer von der superben Qualität, der in dieser nördlichen Region angebauten Weine überzeugen. Der Solaris hat die Gruppe besonders beeindruckt. Solaris verbinde ich nicht mit Wein sondern mit Omnibussen, die auch in der Flotte der BVG unterwegs sind. Herr Turnau erklärte, dass es sich um eine Hybridsorte handelt. Muss gestehen, dass meine Kenntnisse aus der Weinbau Exkursion im Rahmen des Geographiestudiums nach Baden-Württemberg doch schon zu lange zurück liegen und die Erinnerung sich auf Lemberger mit Trollinger beschränkt!
Zu den Weinen wurde exzellenter Käse gereicht.
(Die Gruppe hat bedauert, dass dieser Käse in der Winzerei nicht käuflich zu erwerben ist.)
Nicht vergessen werden darf in diesem Bericht die außergewöhnlich schlichte wie schöne  Architektur des Winzergebäudes, das mit historischen Ziegeln aus abgebrochenen Gebäuden aus gleicher Bauphase ergänzt, aufwändig restauriert wurde. Der Erweiterungsneubau wird stilistischer vergleichbar, jedoch aus Kostengründen aus neuen, in alten Brenntechniken hergestellten Ziegeln, errichtet.
Nach diesem großartigen Erlebnis führte Herr Turnau die Gruppe in´s Zentrum der Weinfelder, wo ein schöner überdachter Rastplatz für Gäste bereit steht. Hier wurden die erworbenen Weinflaschen geöffnet und die mitgebrachten Köstlichkeiten zu einem nicht alltäglichen Picknick vereint.
Nach einer Stunde, man hätte dort ewig sitzen mögen, musste die Gruppe leicht beschwingt sich wieder auf die Räder setzen.
Herzlichen Dank, Herr Turnau!
Die restlichen ca. 35 Km bis nach Schwedt waren nach diesem Erlebnis ein „Klacks“ zumal es überwiegend bergab ging.
Mein Tipp: Die Winzerei besuchen und Wein mitnehmen. Also die Taschen für die große Tour dabei haben!
Zum Radeln: https://www.komoot.de/tour/247263702?ref=wtd


Auf der Route 3 vor Banie

Barrique und Edelstahltenks

Herr Turnau erklärt die Weinherstellung

Verkostung!!!

die Weinfelder

Tour 3: Rundtour von Schwedt nach Chojna  (Königsberg in der Neumark)

Entspannt als Teilnehmer beim ADFC mitradeln, was für ein Unterschied. Man fragt sich schon, wieso tut man sich das an, ADFC Tourenleiter zu sein und den lieben Teilnemer*innen das Berlin/B´burg Ticket zu kaufen und dem Geld hinterher zu rennen. Braucht schon eine riesen Portion Enthusiasmus!
Mit dem RE 3 fuhr die Gruppe ohne Umsteigen zu müssen von Südkreuz bis Schwedt in einem Rutsch durch.
Hinter der Oderbrücke ging es gleich rechts ab auf eine kleine Straße entlang dem Ufer der Oder, die merkwürdiger Weise zur Radroute Zielona Odra / Grüne Oder gehört, obwohl in Krajnik Dolni unmittelbar der nördliche Anschluss Richtung Stettin besteht.
Nach einigen Kilometern weisen Schilder auf das „Tal der Liebe“ hin. Unser Tourenleiter hat über die Geschichte dieses ausgedehnten Landschaftsparks berichtet, den die Frau des damaligen Landrats im Bezirk Königsberg i.d, Neumark um 1850 anlegen ließ. Später wurde das Tal ein beliebtes Ausflugsgebiet mit Lokalen, in denen abends auch Tanzveranstaltungen stattfanden. Beliebt waren die Fahrten mit dem Dampfer von Frankfurt und Stettin zum Tal der Liebe.  Durch Starkregen sind die engen Tälchen heute stark ausgewaschen und der Park ist in seiner gärtnerischen Gestaltungsqualität nicht mehr erlebbar. Die alten Bäume beeindrucken Besucher auch heute noch.
Jetzt hat der Fahrradpartner einen Gewissenskonflikt. Wenige Minuten nach dem Hauptzugang zum Park befindet sich ein Dörfchen mit einem niedlichen Gartenkaffee. Soll ich nun eine genaue Beschreibung liefern und dieses Kaffee der Gefahr aussetzen, seine Ursprünglichkeit und den so liebevollen Improvisationscharakter verlieren obwohl ich den Betreibern den Erfolg aus vollen Herzen wünsche. Also, wer dort lang radelt, muss einfach aufpassen, mehr wird nicht verraten!
Nach einer Stärkung dort, geht´s den Oderhang steil hinauf. Belohnt wird man durch eine tolle Aussicht auf das Gebiet des Nationalparks „Unteres Odertal“, der sich über die Ländergrenze beidseitig des Flusses erstreckt.
Dieser Teil der Oder war mir bis zu dieser Tour völlig unbekannt und bin froh diese landschaftliche Vielfalt kennengelernt zu haben. Durch historische Alleen führt der Weg nach Stoki. In einem nahegelegenen Waldsee wurde eine Badepause eingelegt, ehe es nach Choina, dem Ziel der Tour ging.
Im Keller des historischen Rathauses, gebaut um 1410 mit beeindruckenden Backsteingewölben, die auch durch den 2. Weltkrieg unzerstörten blieben, wurde ein verspätetes Mittagessen eingenommen.
Das Rathaus und die in der gleichen Zeit erbaute Marienkirche gehören zu den bedeutendsten Bauwerken der Gotik in der Neumark
Mit einer so großen Gruppe war die Küche im Ratskeller heillos überfordert, so dass Teilnehmer mit knurrendem Magen die Rückfahrt antreten mussten. Weit war´s glücklicher Weise auch mit dem kleinen Bogen über Bara nicht bis Schwedt. Der Abschnitt auf der Staatsstraße 26, die allerdings am Samstagnachmittag relativ wenig befahren war, konnte durch den Umweg verkürzt werden
Eine gelungene Tour!
Auf den Komoot Link verzichte ich an dieser Stelle, da die Route nicht von mir ausgearbeitet wurde. Die Ortsangaben sollten aber reichen, um diese Tour in eigener Regie fahren zu können.


Blick auf Choina

Choina, das historische Rathaus

Blick auf´s Odertal