Ostseeroute
Der polnische Ostseeradweg
Der polnische Ostseeradweg bildet einen Abschnitt der Baltic Sea Radroute (Eurovelo 10 und des Iron Courtain Trail (Eurovelo 13) Die letztgenannte Route geht auf die Initiative des ehemaligen Mitglieds des Berliner Abgeordnetenhauses und späteren Europaabgeordneten Michael Cramer zurück. Kern des Iron Courtain Trails ist der Berliner Mauerweg.
Nun endlich zur Ostsee!
Im Jahr 2016 hatte ich das Angebot ein zweites Mal in der Hauptstadt der Woiwodschaft Pomorze Zachodnie / Westpommern in Szczecin / Stettin im Rahmen des Projekts „Locals go Europe“ zu arbeiten. Beim ersten Besuch konnte ich Kontakte zu den unterschiedlichsten Abteilungen der Verwaltung knüpfen, ohne konkrete Mitarbeit an Projekten. Nun beim zweiten Besuch aber war die Mitarbeit am Projekt „Detailplanung des Ostseeradwegs“ der Anlass nochmals für einen Monat nach Stettin fahren zu können.
Die Leitung des Projekts lag bei der für das Planungsvorhaben „1000 km Touristische Radrouten in Westpommern“ zuständigen Kollegin im Marschallamt Wanda N.
Perfekt ausgestattet mit GPS Kameras am Fahrradlenker, um die Wegbeschaffenheit direkt zu dokumentieren, gings´s dann los. Fünf Tage waren wir unterwegs für die knapp 200 km lange Route. Mit der Prüfung von Alternativen und Ausmessen bestehender Wege war das ein gemütliches Fahren. Wir sind auf diese Art und Weise im Schnitt 60 Km täglich unterwegs gewesen. Abends wurden die gewonnenen Erkenntnisse in Wandas Laptop übertragen und für die weitere Bearbeitung im Büro gespeichert.
Im Büro
Perfekt ausgestattete Fahrräder
Das Team bei der Nachbearbeitung
Nach dem großen Abenteuer „Green Velo“ war im Jahr 2019 die kürzere Radreise auf dem Ostseeradweg angesagt. Corona hat dieses Jahr spürbar in die Reise- und Tourenplanung eigegriffen. Gespannt waren wir doch, was sich in den vier Jahren seit der Zeit im Marschallamt entlang der Ostseeküste getan hat.
Der Regionalzug von Sczcecin / Stettin brachte die Fahrradpartnerin und mich schnell nach Swinoujscie / Swinemünde. Auf den Besuch des auf der Insel Usedom gelegenen Badeortes sowie der historischen Festungsanlage haben wir dieses Mal verzichtet und sind auf direktem Weg Richtung Osten geradelt. Auch wenn Międzyzdroje / Misdroy in einem Atemzug mit den Kaiserbädern auf Usedom genannt wird, hat im Gegensatz zu Swinemünde von der berühmten Bäderarchitektur nicht mehr viel überlebt. Unmittelbar am Ende des Ortes beginnt der Wolinski Nationalpark mit fantastischen Buchenwäldern. Unsere Freunde die Zubry (s. Green Velo!!!) waren schon in der Winterruhe und somit leider unsichtbar. Auch ohne diese mächtigen Tiere gesehen zu haben, lohnt landschaftlich die Fahrt durch den NP allemal.
Ab Dziwnow / Dievenow mit der Klappbrücke über den Odermündungsarm Dievenow erreichten wir bekanntes Gebiet von der „Tour Wanda“.
Mittlerweile sind viele Radwege entstanden, die weniger im Sinne der Eurovelorouten für Fernradler gebaut sind. Ihre Aufgabe besteht in erster Linie darin, Feriengästen der Badeorte einen bequemen und sportlichen Zugang zu den Badestränden anbieten, - Parkplätze gibt es aus Platzgründen im Wald oder den Dünen glücklicher Weise nicht ausreichend. Das Fahrrad bietet somit oft die einzige Möglichkeit, entlegenere Strandabschnitte in der Hochsaison zu erreichen. Vielleicht kommen die Gäste auf den Geschmack und radeln dann auch zu Hause öfter.
Der Bau der Radwege hat sich nach meiner Einschätzung durchaus gelohnt, wenn man die sogar in der Nachsaison überraschend große Zahl von Radlern sieht.
Es wird gebaut, wohin man schaut, leider auch in Gebieten, die sicher als Naturschutzgebiete gelten sollten. Die Architektur dieser Neubauten ist durchaus ansprechend. Nur sei die Frage erlaubt, für wen und für welche kurze Zeit im Jahr. Schon Anfang September, d.h. eine Woche nach Ende der großen Ferien, waren nur noch wenige Gäste unterwegs und die Hotels hatten den Betrieb schon reduziert.
Auf der Mole von Międzyzdroje
Tor zum Nationalpark
Auf guten Wegen durch den NP
Hubbrücke über den östlichen Oderarm Divenow
Es wird gebaut, wohin man schaut, leider auch in Gebieten, die sicher als Naturschutzgebiete gelten sollten. Die Architektur dieser Neubauten ist durchaus ansprechend. Nur sei die Frage erlaubt, für wen und für welche kurze Zeit im Jahr. Schon Anfang September, d.h. eine Woche nach Ende der großen Ferien, waren nur noch wenige Gäste unterwegs und die Hotels hatten den Betrieb schon reduziert.
Auf der Strecke bis Kołobrzeg / Kolberg sind zwei Orte bemerkenswert, der eine historisch, der andere persönlich.
Trzęsacz (deutsch Hoff a. d. Ostsee)
Hier kann man beobachten, wie die Ostsee in den vergangenen Jahrhunderten ihr Ufer in Richtung des Festlandes verlagert hat. Die Kirche, deren Ruine heute unmittelbar an der Steilküste steht, lag noch Ende des 18. Jh. fast 400 m landeinwärts. Im Jahr 1901 stürzte die Kirche infolge von Unterwaschungen des Steilufers durch die Ostsee zur Hälfte ab. Im Jahr 2009 wurde die Kliffbefestigung unterhalb der Kirchenruine abgeschlossen, wodurch die Ruine nun vor dem Angriff der Ostsee geschützt ist.
Im zweiten Ort befindet sich ein Gebäude, mit dem ich quasi familiär verbunden bin. Es geht um ein ehemaliges Kinderheim in Dźwirzyno / Kolberger Deep, dessen Eigentümer ein gemeinnütziger Verein war. Mein Großvater war der 2. Vorsitzende. Das Ziel des Vereins bestand darin, Kinder aus benachteiligten Familien den Sommer mit Sonne am Meer zu verbringen zu können. Das Gebäude ist ein Werk des Steglitzer Stadtbaumeisters Richard Tietzen (1858 – 1935). Auch wenn es ein eher schlichter Bau ist, ist er dennoch prägend für die Zeit der aufkommenden Sommerfrische. Es wäre sehr bedauerlich, wenn dieses Gebäude einem Hotel oder einer Ferienwohnanlage weichen müsste. Heute befindet sich dort eine Privatpension, beim letzten Besuch vor vier Jahren diente es als Seniorenheim.
Beschilderung, wird noch geändert
Leuchtturm von Niechorze
Neubauten
Kirchenruine am Kliff in Trzęsacz
Das ehemalige Kinderheim, gebaut vom Steglitzer Stadtarchitekten Tietzen
So, nun wieder auf´s Rad und die wenigen Kilometer bis Kołobrzeg / Kolberg gefahren!
Das wohl berühmteste Ostseebad an der polnischen Ostseeküste bietet bei der Einfahrt in die Stadt ein perfektes Fahrradhighlight. Auf der Trasse der Kolberger Kleinbahn von 1895 gleitet man auf feinstem Asphalt in die Stadt. Umso größer war die Spannung, wie Wanda die Fortsetzung der Trasse in´s Stadtzentrum realisiert hat.
Wir standen damals vor einem schier unlösbaren Problem. Zuerst ist die Bahntrasse nach Stettin zu queren, nach der eine sichere Aufstellfläche für Radler und Fußgänger vor der Querung einer 6-spurigen Hauptverkehrsstraße fehlt. Wir haben die Flächen ausgemessen und überlegt, wie das Problem zu lösen sei. Dann hat der Fahrradpartner in die Gegenrichtung geschaut und gesehen, dass Fußgänger ca. 200 m hinter uns in die auch für uns passende Richtung gelaufen sind. „ Wanda, lass uns mal sehen, wo die hin laufen!“ Die Fußgänger querten die Mündung der Persante auf der Bahnbrücke neben den Gleisen. Wir hatten die Lösung des Problems gefunden! Eine parallel geführte Brücke für Fußgänger und Radler bot die beste Routenführung weiter ins Stadtzentrum.
Leider war von unserer Planung nichts zu sehen, die Radroute führte weiter über die problematische Querung von Bahn und Hauptverkehrsstraße. Wanda hatte schon vorher angedeutet, dass es Schwierigkeiten gibt. Der Bau der neuen Brücke war bereits zwischen Marschallamt und Stadtverwaltung abgestimmt, die Finanzierung gesichert, aber die Stadt Kolberg hat es dennoch vorgezogen, die geplante Radroute mit Parkplätzen zu überbauen.
Eine kurze Stadttour haben wir angeschlossen, um Örtlichkeiten zu entdecken, die auf dienstlicher Radtour nicht besichtigt werden konnten.
Das Kolberger Rathaus wurde in den Jahren 1829-1832 nach dem Entwurf des Architekten und Berliner Stadtbaumeisters Karl Friedrich Schinkel erbaut. Durch sein burgähnliches Erscheinungsbild ein für Schinkel eher untypisches Bauwerk, das an die Befreiung Preußens von Frankreich erinnern soll.
Die Mole mit Leuchtturm sind das Wahrzeichen von Kolberg, das schon auf früheren Touren ausgiebig besichtigt wurde. Entlang viel zu großer Wellnesshotels führt der Radweg in ruhige Gefilde. Wenige Kilometer östlich führt die Radroute über einen aufgeständerten Bohlenweg durch ein mit Seen und Feuchtgebieten geprägtes Naturschutzgebiet.
Neue Routenbeschilderung in
Kołobrzeg
Der Leuchtturm, das Wahrzeichen von Kołobrzeg
Auf Bohlenwegen durch die Dünen- und Moorlandschaft
Kleine Strandseen
Neuer perfekter Radweg
Das Tagesziel war Mielno
Ein ziemlich unansehnlicher Badeort mit der vermutlich höchsten Dönerdichte bezogen auf die Zahl der Einwohner, Berlin Döner, Istanbul Döner, Original Turecki Döner, Pizza mit Döner … . Urlaub möchte ich dort nicht verbringen, aber die Landschaft ist ja der Grund an der Ostseeküste zu radeln und nicht unbedingt Stadttourismus. Zur Ehrenrettung von Mielno darf die Uferpromenade mit noch einigen Hotels mit typischer Bäderarchitektur nicht unerwähnt bleiben.
Die Ausgleichsküste
Weiter führt uns der Weg Richtung Osten auf die Nehrung des Jezioro Jamno / Jamunder Sees und weiter auf die Landseite des Jezioro Bukowo, deutsch Buckower See. Auch dieser ist ein Strandsee, d.h. ein kleines Haff, das die Nehrung von der Ostsee trennt. Durch die Zuflüsse sind dieses Strandseen deutlich weniger salzhaltig als die Ostsee.
Diese Küstenform wird als Ausgleichsküste bezeichnet. Sie entsteht durch eine gleichmäßige Meeresströmung in Küstennähe, die permanenten Materialtransport verursacht.
Rügenwalde
Die Mittagspause haben wir in Darłowo / Rügenwalde auf einer Terrasse am Ufer der Wieprza / Wipper) mit traumhaften Blick auf das Schloss der pommerschen Herzöge verbracht. Rügenwalde gilt als Heimat der gleichnamigen Teewurst, die jedoch Tee nie enthalten hat. Da man im 19. Jh. nachmittags gerne Wurstbrote zum Tee verspeiste und feststellte, dass diese spezielle Wurst besonders gut zum Tee passte, erhielt die Wurst ihren Namen.
Hinter Darłowo beginnt der landschaftlich schönste Abschnitt des Ostseeküstenradwegs.
Der Weg verläuft wieder auf einer Landzunge, Nehrung, die den Jezioro Kopań, / Vitter See, von der Ostsee trennt. Vom Meereswind gezeichnete Kiefern und Dünen prägen die eindrucksvolle Landschaft. Der Wind schiebt den Dünensand vor sich her, so dass der Radweg hin und wieder vollkommen vom Sand bedeckt ist und die Räder geschoben werden müssen. Für diese Aussicht macht man das gerne. Nach Querung der fast ausgetrockneten Verbindung des Sees mit der Ostsee führt der perfekt asphaltierte Radweg durch die für die Ostsee typischen lichten Kiefernwälder.
Darłowo, Marktplatz
Der schönste Abschnitt der Ostseeroute
Schloss der pommerschen Herzöge
... auch wenn der Weg mal mit Dünensand bedeckt ist
Das Hinterland
Die nächste Tagesetappe führte die Fahrradpartner bis auf eine kurze Berührung mit der Ostsee durchgängig durch das landschaftlich sehr schöne, beschauliche Hinterland. Dafür war die Radroute abschnittsweise über Wege geführt, die die Bezeichnung Radweg nicht verdient haben, knietiefer Sand!!! (Zu den Wegen, Beschilderung usw. könnt ihr am Schluss der Tourenbeschreibung ein kurzes Fazit lesen).
Die Ostsee konnten wir auf dieser Etappe nur zwei Mal erleben. Das erste Mal in Ustka / Stolpmünde, einem sehenswerten Örtchen mit einem sehr guten Kaffeehaus. Am Strand von Rowy kann man an einem stürmischen Tag wie diesem erleben, dass die allgemein, zumindest im Vergleich zu den offenen Meeren als gemütlich bekannte Ostsee doch mit unbändiger Kraft die Küste angreifen kann. Herabgestürzte Bäume bieten ein Zeugnis von der Kraft von Wind und Wasser.
In Rowy konnten wir ein lustiges Beispiel von polnischer Fusionküche entdecken, den „Italia Wok“ mit polnischen, italienischen Gerichten … und Döner!
Der Słowinski Nationalpark
Direkt hinter Rowy beginnt der Słowinski NP, ein Sehnsuchtsort, der am Ende der Tour mit Wanda zum Greifen nah schien, aber aus Zeitgründen unerreichbar blieb. Jetzt endlich, haben die Fahrradpartner dieses Ziel, das auf der Wunschliste immer ganz oben stand, fast erreicht.
Der nächste Tag war für einen ausführlichen Besuch des Nationalparks vorgesehen, so dass die Etappe zur nächsten gebuchten Übernachtung mit weniger als 40 Km als gemütliche Radtour geplant war. Wir hatten keine Ahnung, was uns an diesem Tag noch erwarten sollte.
Ohne Umwege führte der Weg vom Agroturystyka direkt zum Eingang des westlichen Teils des Nationalparks bei Czołpino, wo die Eintrittskarten verkauft werden.
Słowinski Park Narodowy
Der Słowiński Park Narodowy (Slowinzischer Nationalpark) wurde 1967 gegründet. Mit einer Gesamtfläche von 327 Quadratkilometern ist er der drittgrößte polnische Nationalpark (s. Green Velo).
„Die wertvolle Küstenlandschaft mit den größten Wanderdünen Mitteleuropas ist seit 1977 UNESCO-Biosphärenreservat. Aufgrund seiner herausragenden Bedeutung als Feuchtbiotop und Vogelreservat ist der Nationalpark zudem auf die Liste der Ramsar-Konvention gesetzt sowie als Natura 2000-Schutzgebiet ausgewiesen worden. Die direkt hinter der Küste gelegenen Seen sind ein wahres Paradies für Brutvögel und Brackwasserpflanzen. Die beiden größten Seen des Parks, der Jezioro Łebsko (Lebasee), sowie der Jezioro Gardno (Garder See) sind direkt mit dem Meer verbunden. Der Lebasee ist mit einer Fläche von rund 72 Quadratkilometern das drittgrößte polnische Binnengewässer“ (Polen.travel).
Beeindruckender schon als Gebäude ist der Leuchtturm von Czołpino, der hoch auf einer Düne steht und einen grandiosen Rundumblick von der Ostsee, über die imposante Dünenlandschaft bis hin zum Lebasee bietet. Für die zwei weiteren Abstecher zum Strand und auf die 39 m hohe „kleine“ der großen Dünen hätten wir gerne noch mehr Zeit gehabt, aber auch die gemütliche Route will noch gefahren werden.
Leuchtturm
Westliche Düne
... so sollte es weiter gehen
Blick auf die westliche Düne
Museumsdorf Kluki
Hinweistafel für die Wegstrecke
... endlich wieder ein angenehmer Radweg
Umkehren hieß die Devise
Also alles retour, am Agroturystyka vorbei zur Hauptstraße. Alle Abkürzungen waren ebenfalls kaum befahrbar und hätten viel Zeit gekostet. Also hoffen, dass die Hauptstraße nicht allzu stark befahren wurde. Es ging, und die aller meisten Kfz haben uns im großen Bogen überholt. Auch die Lkw Fahrer verhielten sich rücksichtsvoll. Durch schönen Rückenwind war´s wie E-Bike Fahren und wir kamen flott voran. Wer weiß, wo wir auf den beschaulichen Nebenwegen gelandet wären? In Głowczyze haben wir die offizielle Route wieder erreicht, aber nein danke! es war eine historische preußische Kopfsteinpflasterstraße. Also weiter auf der „dicken, fetten“ (unsere Sprachregelung) Hauptstraße. Ab Wicko war dann mit einem breiten perfekt asphaltierten Radweg den Planern im Marschallamt eine tolle Überraschung gelungen. Die letzten 20 Km bis nach Łeba waren dann in einer knappen Stunde entspannt geschafft. Die Fahrt auf der Hauptstraße hat „echt“ Nerven gekostet. Aber auf dem Radweg ließ der Stress durch den Autoverkehr auf der Hauptstraße in wenigen Minuten nach, Lärm und Abgase waren gefühlt weit weg. Bei einsetzender Dämmerung war das Ziel erreicht, wo uns noch ein weiteres Erlebnis erwarten sollte.
Kaum im Gasthof Dom Atalia angekommen, hat uns der Wirt in bestem Deutsch nach unserer Tour befragt und sich auch als begeisterter Radfahrer vorgestellt. Wenn wir vom Abendessen zurückkommen, könnten wir uns als Radler in Ruhe austauschen. Das Abendessen im vom Gastwirt und dem Chef des polnischen Tourismusbüros empfohlene Restaurant des Kurhauses Leba aus dem Jahr 1907, dem heutigen Schlosshotel Neptun war leider nicht möglich einzunehmen, ausgebucht, Hochzeit! Nach so vielen eher schlichteren Restaurants auf der Tour wäre ein Dinner in gehobenem Ambiente eine sehr willkommene Abwechslung, schade.
Also doch wieder ein einfaches Restaurant, allerdings sehr gut zubereiteter Fisch. Wegen Corona blieben die Türen weit geöffnet, so dass sich eine angenehme Atmosphäre nicht wirklich einstellen konnte zumal die Abende schon recht kühl waren.
Zurück im Gasthof hatte der Wirt ein Feuer im Kamin angefacht, das die Lebensgeister nach dem Restaurantbesuch halb im Freien schnell zurück brachte.
Der Laptop stand bereit und Jarek, der Wirt, zeigte seine Fotos von der Sumpfdurchquerung drei Tage vorher. Seine Beine und die seiner Begleiter steckten in Mülltüten, Fahrradfahren hieß Fahrradtragen. Jarek hat uns damit bestätigt, dass die Sumpfquerung mit beladenen Rädern nicht möglich war. Die Fotos hat mir Jarek freundlicher Weise geschickt, aber darum gebeten, sie nicht auf meiner Seite oder bei Vorträgen zu veröffentlichen. Daran halte ich mich, so dass ihr die Fotos leider hier nicht zu sehen bekommen könnt.
Jarek als passionierte Radler hat Hoffnung für die Zukunft gemacht. Durch seine guten Kontakte zum Rathaus, weiß er, dass ein Radweg rund um den Lebasee geplant ist. Der Weg auf der Landseite soll vielleicht schon in den nächsten zwei Jahren gebaut sein. Ein Höhepunkt für Radler, der eine intensive Erkundung des Nationalparks ermöglicht.
Der Abend wurde immer interessanter, Jarek ist ein hervorragender Fotograf. Die Qualität seiner Fotos aus dem Slowinski NP zu allen Jahreszeiten hat mich total beeindruckt.
Er ist mit einer Fotoausrüstung von mindestens 12 Kg unterwegs. Das verbietet sich leider auf längeren Radtouren.
Für das Dom Atalia kann ich mit bestem Gewissen werben. Jarek bittet aber herzlich darum, dass die Gäste länger bleiben mögen. Diesen Wunsch sollten Radler doch bitte erfüllen. Es gibt so viel zu sehen, dass ein Tag viel zu kurz für Leba ist. Vor allem fotoaffine Radlern empfehle ich wärmstens bei Jarek im Dom Atalia zu übernachten. Vielleicht bietet Jarek auch eine Fotoexkursion an.
Ein perfekter Abend, ein bleibendes Erlebnis, danke Jarek!
Der östliche Bereich des Nationalparks
Am nächsten Tag stand der Besuch des östlichen Teils des Nationalparks auf dem Programm. In diesem Teil liegen die großen Wanderdünen, Łącka Dünen. Während der Herbst und Winterstürm wandert der feine Sand jedes Jahr bis zu zwölf Meter. Die höchste Düne ist bis zu 42 Meter hoch. Nach dem beschwerlichen Aufstieg auf markierten Wegen im feinen Sand bot sich ein wahrhaft atemberaubendes Bild einer sich fast zum Horizont erstreckenden Dünenlandschaft. Und dann kam noch die Sonne heraus und durch Licht und Schatten wurde die Wirkung der Geländeformen noch verstärkt. Ein Dorado für Fotografen. Die Zeit war wieder zu kurz. Auf dem Rückweg nach Leba trafen wir unseren Wirt Jarek radelnd auf dem Weg zu den Dünen, bepackt mit den üblichen 12 kg Fotoausrüstung!
Es lagen noch ca. 85 km vor uns, nach der Strecke des vergangenen Tages kann uns so leicht nichts mehr schrecken, zumal der Westwind nicht nachgelassen hatte. Nur wie wird die Qualität der Wege sein? Ein großes ? Die offizielle Route des Baltic Sea Cycleway entsprach schon kurz hinter Łeba nicht den Anforderungen an eine Europaroute. Daher haben wir uns entschieden, unser Ziel über kleinen Nebenstraßen zu erreichen. Diese in der Euro-Regionalkarte 1:300 000 dargestellten Straßen waren abschnittsweise ebenfalls nur Sandwege. Schieben war angesagt.
Aber auch zum Ende dieser Tour sorgte der neue Bahnradweg auf der stillgelegten Strecke von Krokowa nach Swarzewo für einen sehr angenehmen Endspurt auf dem Weg nach Władysławowo.
Słowinski Park Narodowy
Große Düne
Der letzte Tag
Der letzte Radeltag war angebrochen. Geplant war die mit 40 km kürzeste Etappe nach Hel auf der gleichnamigen Halbinsel, oder besser gesagt der sich entwickelnden Nehrung. Unser Wunsch war als würdigem Abschluss der Ostseeradtour von Hel mit der Fähre nach Gdynia / Gdingen zu fahren. Unsere Wirtin im Dom Harpun hat ihre Kinder eingespannt, um für uns die Fährverbindung herauszufinden und möglichst Tickets zu buchen. Internet, Telefon, alles vergeblich, trotz größtem Einsatz der hilfsbereiten jungen Leute.
Die Fahrt über die auch Putziger Nehrung genannte Halbinsel Hel, die an ihrer schmalsten Stelle nur 400 m breit ist, war wenig attraktiv. Die erste Hälfte war durch Campingplätze, Surfcamps u.ä. geprägt, die zum Radweg durch Zäune abgegrenzt und ununterbrochen mit großen Werbetafeln belegt waren. Erst im zweiten Abschnitt wurde es angenehmer, der aus in “Phase“ verlegten Betonsteinen gebaute Radweg verlief nun direkt an der Küste und bot freien Seeblick.
Der Ort Hel selbst ist ein Dörfchen, das noch an seine Zeit als Fischerdorf erinnert. Es ist touristisch, aber nicht übertrieben. Große Hotels und Appartementhäuser fehlen vollkommen.
Am Hafen lag die Fähre, das Ticketbüro aber geschlossen, Öffnung erst zwei bis drei Stunden später. Das war uns zu unsicher, zumal es die einzige Fähre am Tag war und es keine Auskunft gab, ob noch Tickets verfügbar wären.
Also radelten wir mit trauriger Mine zurück zum Bahnhof, wo der Zug nach Gdynia abfahrbereit stand. So endete die Radtour gänzlich unspektakulär im Regionalzug. Von Gdynia ging´s dann noch mal mit dem Rad nach Sopot / Zoppot.
Zoppot ist mit seiner liebevoll restaurierten Bäderarchitektur, dem Grand Hotel am Strand und der über 500 m langen Mole das lohnende Ende einer Tour hinter der doch einige Fragezeichen stehen.
Trotz dieser Einschränkungen, war es dennoch schwer Abschied zu nehmen und die geradelte Route zurück nach Stettin mit dem Zug in wenigen Stunden zu überbrücken.
Ich wäre gerne noch weiter geradelt, aber die für die Radtour zur Verfügung stehende Zeit war vorbei. Über Danzig, Elbląg bis Braniewo oder entlang des Oberländischen Kanals hätte es ruhig noch weiter gehen können.
Wenn Corona es zulässt, ist eine Tour in diese Gegend bereits im Hinterkopf in der Planung!
https://www.komoot.de/tour/262581171?ref=wtd
Fazit
Wie schon andeutungsweise zu lesen war, hielt sich die Begeisterung über den Ostseeradweg in Grenzen. Als Grund dafür möchte ich folgendes annehmen:
Fernradwege dienen der touristischen Förderung von Regionen, die nicht zu den absoluten Höhepunkten eines Landes zählen. Hier sehe ich eine Parallele zu Österreich, einem Land, das für den Skitourismus Berge versetzt, Millionen für Kunstschnee investiert usw. alles für gut zahlende Touristen, die länger am Ort bleiben. Investitionen in Fahrradinfrastruktur weitgehend Fehlanzeige. Die bekannte Radroute Via Claudia Augusta ist in einigen Abschnitten eher als ausgetrocknetes Bachbett zu bezeichnen, mit einer Beschilderung wird gerade erst begonnen. Fahrradtourismus ist in diesen Regionen offensichtlich nicht nötig. Hat aber 4 Sterne vom ADFC, sehr merkwürdig!!!
So ist das wohl auch an der Ostsee. Dass der Fahrradtourismus die Saison deutlich vor und nach den polnischen Ferien verlängern kann, scheint als Wirtschaftsfaktor noch nicht ausreichend erkannt zu sein. Anders der Green Velo, der Radler in weniger bekannte Regionen führt, die aber mit Nationalparks sowie hoch interessanten Städten und Dörfern mit der Ostsee in ihrer Attraktivität locker mithalten können.
Mit dem Green Velo hat Polen für den Fahrradtourismus absolut Maßstäbe gesetzt, was Wegequalität (von einigen Ausnahmen abgesehen), die Beschilderung und die in kurzen Abständen angelegten Pausenplätze betrifft. Diese Qualitäten finden sich auf den schon fertig gestellten Abschnitten der Route 3 „Blue Velo“ und der Route 20 von der bald für Fußgänger und Radler zu eröffnenden Oderbücke von Bienenwerder bis Kolberg.
Diese Routen führen ebenfalls durch touristisch unbekanntes Terrain und schaffen ihre Attraktivität durch Qualität.
Dennoch, als Teil der Eurovelorouten 10 und 13 sollte der Ostseeradweg die Qualitätskriterien der genannten Radrouten in den kommenden Jahren erfüllen. Zumindest die Routenbeschilderung, die abschnittsweise schon besteht, sollte kurzfristig im für Polen einheitlichen orange/schwarzen Design installiert werden.
Die Aussage vom Pensionswirt in Leba zum baldigen Bau der neuen Radroute im Słowinski Park Nationalpark lässt hoffen, dass der Ostseeradweg den gleiche Stellenwert erlangt wie Green Velo.
Also, liebe Radwanderfreunde, noch etwas abwarten und in 2? Jahren starten!
In Komoot habe ich unter Fahrradpartner die Route aufgezeichnet.