Radrouten östlich der Oder

Eine Beschreibung der Radrouten in Westpommern

Bestand und Planung

Flyer der neuen Radrouten

Testfahrt auf der brandneuen Route 3

Im Grundsatz fertig gestellt ist die Route 3 von der Oderbrücke bei Mescherin (hier weist das erste Routenschild den Weg!) durch Gryfino (Greifenhagen) über Banie (Bahn) – Swobnica (Wildenbruch) bis Trzcinsko Zdroj (Bad Schönfließ). 

Auf der Fahrt durch die Gryfino muss man die Augen offen halten, um die Schilder der Route 3 „Blue Velo“, zu entdecken. An der großen Kreuzung Hauptstraße / Armii Krajowej ist der  Hinweis „links abzubiegen“ leicht zu übersehen.

Die Radroute ist auf der 1895 eröffneten und 1986 stillgelegten Trasse der Greifenhagener Kleinbahn von  Greifenhagen über die Kleinstadt  Bahn  und weiter bis Wildenbruch im Süden verlegt. Kleinere Abschnitte auf zum Teil grob geschotterten Waldwegen sollen, wenn die Finanzmittel vorhanden sind, auf die historische Bahntrasse umgelegt und asphaltiert werden. Wer aufmerksam unterwegs ist, kann noch Relikte aus der Eisenbahnzeit entdecken. Kilometersteine und Bahnschotter sind hier und da am Weg zu finden. Dass der Weg auf einem Damm oder durch Einschnitte geführt wird, lässt auch für Laien die  ehemalige Bahnstrecke erkennbar werden.  

Mit einer Gruppe vom ADFC auf der Route 3 Richtung Banie

 

Die Greifenhagener Kleinbahn endete in Wildenbruch, eine Verlängerung war nie gebaut worden.  Die Fortsetzung der Radroute erfolgt leider über einen längeren Abschnitt auf recht groben Schotter. Da wäre es schön, wenn diese Forststraße irgendwann, so wie wir das aus Brandenburg kennen, seitlich asphaltiert würde. Breitere Reifen sind von Vorteil! 

Diese Route hat kulturell einiges zu bieten. Abgesehen von der beschaulichen Landschaft durch die zu radeln herrlich entspannend ist, liegen echte Highlights an der Strecke. Die erste Pause bietet das Strandbad von Banie. Unmittelbar hinter dem Strandbad befindet sich die kleine aus Feldsteinen erbaute Kirche des Johanniterordens. 

Nur wenige Kilometer Richtung Westen liegt bei Banievice die nördlichste Winzerei Polens, die Vinnica Turnau (https://winnicaturnau.pl/de). Schon auf dem Weg dorthin fühlt man sich nach Baden oder in die Pfalz versetzt, die ersten Weinfelder säumen den Weg. 

 

Zbigniew Turnau, der Chef der Winzerei der von Hause aus studierter Maschinen- und Schiffbauingenieur ist, hat der Gruppe des ADFC die Geschichte der Winzerei ausführlich vorgestellt. Diese hat sich aus einem Agrargut entwickelt, in dem Getreide und Raps angebaut wurde. „Die günstige Lage und das den Früchten dienliche Klima warfen schließlich die Frage auf: Wie wäre es denn mit Wein? Die Familie einte der gemeinsame Traum der Rückkehr zu den Traditionen der Vorfahren und das Weingut Turnau wurde gegründet“ (gekürztes Zitat aus der Broschüre der Winnica Turnau). 

Eine sehr gute Entscheidung, wie die Teilnehmer der Radtour einhellig bestätigen konnten. Vor dem historischen Gebäude, in dem die Winzerei untergebracht ist, konnten sich die Teilnehmer von der superben Qualität, der in dieser nördlichen Region angebauten Weine überzeugen. Der Solaris hat die Gruppe besonders beeindruckt. Solaris verbinde ich nicht mit Wein sondern mit Omnibussen, die auch in der Flotte der BVG unterwegs sind. Herr Turnau erklärte, dass es sich um eine Hybridsorte handelt. Zu den Weinen wurde exzellenter Käse gereicht. 

Nicht vergessen werden darf in diesem Bericht die außergewöhnlich schlichte wie schöne  Architektur des Winzergebäudes, das mit historischen Ziegeln aus abgebrochenen Gebäuden aus gleicher Bauphase ergänzt, aufwändig restauriert wurde. Der Erweiterungsneubau wird stilistischer vergleichbar, jedoch aus Kostengründen aus neuen, in alten Brenntechniken hergestellten Ziegeln, errichtet.
Siehe: "Drei Tagestouren östlich der Oder"

Besuch der Winzerei Turnau

 

Die Zeit für eine ausgedehnte Pause in der Winzerei sollte man sich unbedingt nehmen, auch wenn der Preis von 20,-€ für Führung und Verkostung im oberen Segment liegt. Die ADFC Tour war als große Ausnahme Gast der Vinnica Turnau. 

Mein Tipp: Die Winzerei besuchen und Wein mitnehmen. Also die Taschen für die große Tour dabei haben! 

Der nächste Höhepunkt auf der Route ist Zamek Joannitow w Swobnicy (Schloss Wildenbruch) in Swobnica mit seiner wechselvollen Geschichte. 

Die Burganlage der Johanniter ließ Kurfürstin Dorothea ab 1680 zu einem Barockschloss umbauen. 

Nach der Wende wechselte die Schlossanlage mehrfach den Besitzer und verfiel zur Ruine. In einigen Räumen ist die alte Pracht auch im Zustand des Verfalls noch sehr beeindruckend. 

Schloss Swobnica

 

Bei meinen letzten Besuchen 2019 mit Freunden und zwei Steglitzer Tourenleitern war die Anlage nicht mehr zugänglich. Das  lässt hoffen, dass die geplante Sanierung nach Übernahme des Bauwerks durch die Wojewodschaft nun beginnt. 

Noch weitere 10 Km und das Tagesziel Trzcinsko-Zdroj (Bad Schönfließ) ist erreicht. 

 

Ende des 19. Jahrhunderts wurde Schönfließ zum Badeort (Moorbad), den Titel „Bad“ bekam es 1907 verliehen. Den Zweiten Weltkrieg überstand die Stadt ohne große Zerstörung, so dass das markante Rathaus aus dem 15. Jh. und die Stadttore weitestgehend im Originalzustand erhalten ist. Sehr schön ist die Uferpromenade entlang des Stadtsees und der wiederaufgebauten (?) Stadtmauer.

Die Story zur Übernachtung findet ihr im Kapitel Blue Velo

 

Diese Geschichte hat im Marschallamt schon die Runde gemacht. Als ich Wanda das letzte Mal besucht habe, wurde ich von den Kollegen in ihrem Team gleich als derjenige begrüßt, der auf der Parkbank geschlafen hat. 

Eine sehr angenehme Alternative ist das Agroturystika Bylinka in Goralice (Görlsdorf), ca 3,5 Km östlich von Trezcinsko-Zdroj. Die Übernachtungskapazitäten sind leider sehr begrenzt, man muss über Booking.com vorbuchen. Es gibt in Trzcinsko-Zdroj  weit und breit kein Restaurant, aber 2 Supermärkte und in Goralice auch ein Sklep, Dorfladen. Meinen Gruppen hat es viel Freude gemacht,  Pierogi und gutes polnisches Bier zu kaufen und in der Küche im Agroturystika  gemeinsam zu kochen. 


Noch muss man auf der hochbelasteten Hauptstraße nach Goralice radeln, aber bald dürfte ein Radweg auf der unmittelbar daneben verlaufenden Bahntrasse  ein Radweg entstehen. 

Streckenlänge Gryfino – Trzcinsko-Zdroj: 44,2 Km 

Radroute 20, Trzcinsko-Zdroj – Godkow (Jädickendorf) – Moryn – Siekierki (Zäckerick / Alt-Rüdnitz) 

Im Oktober 2018 ist der perfekt gebaute Radweg auf der o.g. Bahnstrecke eröffnet worden, noch pünktlich vor den Wojewodschaftswahlen. 

Mit einem Sonderzug ging´s von Stettin nach Godkow, von wo aus sich die endlose Schlange von Radlern Richtung Westen in Bewegung setzte. Hinter Moryn fand auf einem Sportplatz ein Radlerfest mit Belustigung statt. Ich hatte dabei die Gelegenheit mit dem Wojewodschaftsmarschall über die Zukunft der Oderbrücke bei Siekierki zu reden. Herr Geblewicz war wenig optimistisch, aber die liberale Partei hat die Wahl gewonnen und die Sanierung der Bahnbrücke ist gesichert. Dazu an anderer Stelle mehr! 

Auch wenn diese Bahnstrecke bahnhistorisch gesehen, keine Verlängerung der Berlin – Wriezener Bahn ist, sonder Teilstück einer der vielen Bahnstrecken der Neumark ist, die weiter über Pyritz nach Stargard führt und dort Anschluss an die Hauptstecken von Stettin hat, wird sie dennoch auch unter Eisenbahnkennern als Wriezener Bahn bezeichnet. 

dein Fahrradpartner im Agrotyristika in Goralice

Drei ADFC´ler vor interessanten Infotafeln

 

Diese kurze Exkursion zur Eisenbahnhistorie steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Weiterentwicklung des Radroutennetzes in Westpommern. 

Der nächste Halt auf der Strecke Richtung Oder ist das Städtchen Moryn, gelegen am gleichnamigen See. Da die Bahntrasse weit oberhalb des Städtchens verläuft, muss man die Radroute am Bahnhof  Butterfeld verlassen und ca. 3,5 Km nach Moryn radeln. Am Seeufer befindet sich eine Sammlung urzeitlicher Tiere, die in unserer Region heimisch waren. Das echte Highlight ist aber die Eisdiele am Marktplatz, dort unbedingt ein Eis probieren! 

Noch 14 km und die Oder ist erreicht! Noch steht man vor der Brücke und kommt nicht weiter.
 

Streckenlänge Trzcinsko-Zdroj – Europabrücke: 36,4 Km 

Wäre als Tagestour zu schaffen, es kommen noch die Strecken von Tantow nach Gryfino sowie von der Brücke nach Wriezen hinzu. Dann bleibt keine Zeit für Besichtigungen und der aufwendige Bau der Radwege hätte damit auch seinen Zweck verfehlt. Touristen sollen verweilen und dabei auch Geld in der Region zu lassen. Bau touristischer Radwege ist  Wirtschaftsförderung! 

 

Europabrücke der ehemaligen Wriezener Bahn 

Diese Verbindung zwischen Deutschland und Polen ist ein schier endloses Thema. Schon 2016, als ich im Rahmen eines Austauschprogramms im Marschallamt tätig war, hatte ich das Vergnügen als Berliner Mitarbeiter des Marschallamtes dazu an einer Sitzung im Landratsamt in Prenzlau teilzunehmen. Das Landratsamt Uckermark war Ansprechpartner für alle überregionalen Vorhaben in der Metropolenregion Stettin, auch wenn die Brücke im Landkreis MOL liegt. 

Dass die Brücke für Fußgänger und Radfahrer saniert werden soll, stand außer Frage, aber Hindernisse ohne Ende. Der größte Gegner ist der Uhu, der irgendwo auf den Brückenwiderlagern lebenslanges Wohnrecht genießt. Unterschiedliche naturschutzrechtliche Auffassungen haben den Umgang mit dem Bubo, wie er in Polen heißt, nicht gerade erleichtert. In beiden Ländern genießt er höchsten Schutz. (Die Übersetzung von Uhu ist unaussprechlich, daher wird der lateinische Name Bubo Bubo in Kurzfassung genutzt!) 

Das nächst Hindernis baute die DB Netz AG auf, die weiterhin Eigentümer der Brücke auf deutscher Seite ist. Die DB Netz hat damals darauf hingewiesen, dass Bahnbetrieb jederzeit möglich sein muss, ja! auch wenn auf keiner Seite ein Gleisanschluss besteht. Daher war noch eine Kreuzungsvereinbarung nach europäischen Kreuzungsrecht erforderlich. (Haftung, wenn bei dem damals noch fest vorgesehen Draisinenbetrieb einem Schiff irgend was auf den Kopf fällt.) 

Noch im letzten Oktober habe ich mal wieder auf unserer Seite nach der Brücke geschaut, immerhin, ein Bauzaun, ein Bauschild und eine Teileinhausung direkt am Ufer waren zu erkennen. Aha, es geht also los! 

 

Die Europabrücke im Herbst 2020 auf der deutschen Seite


Wie geht´s denn nun bei uns weiter? Der zuständige Ingenieur im Amt Oderbruch hat mich ausführlich informiert.  Also der Uhu wohnt weiterhin, nein nicht auf der Bahnbrücke, sondern auf einem Pfeiler der ehemaligen Straßenbrücke und lässt sich durch den Baulärm absolut nicht stören. Das Amt hat ein Gutachten zur Vergrämung beauftragt und dem Bubo mehrere Angebote für eine neue Behausung unterbreitet, auf die er dankend verzichtet.  Mein Vorschlag, der Bubo wird die Hauptattraktion der Brücke und erhält für jedes Foto, das Radler machen, eine Maus. 

Die Deutsche Bahn verzichtet auf die Betriebsfähigkeit der Brücke. Die Brücke geht in das Fachvermögen des Amtes Oderbruch über. 

Der Denkmalschutz!  Die untere Denkmalbehörde fordert den Ersatz der Nieten nach denkmalrechtlichen Gesichtspunkten. Die Rostbeseitigung muss mit einer speziellen Sandmischung durchgeführt werden. Ebenso ist die Farbe nach einer aufwendigen Mischung herzustellen. Das sei in Polen alles lockerer gehandhabt worden, heißt es aus dem Amt. 

Das Wasser- und Schifffahrtsamt, fordert wegen des Schiffsverkehrs auf einer europäischen Hauptwasserstraße, dass für jeweils ca. 30 m Brückenbauarbeiten neue Bauanträge zu stellen sind, damit durch die Einhausung der Schiffsverkehr nicht gefährdet wird. Allerdings haben die Bauleute pro Woche nur ein Schiff gesichtet!  aber das ist nun mal Wasserrecht. 

Ein Staatsvertrag zwischen Polen und Deutschland musste ausgehandelt werden, über die Fällung von Bäumen, die auf einer Insel stehen, die polnisches Staatsgebiet ist, die Brücke darüber sich aber im Fachvermögen der DB Netz befindet. Die erforderlichen naturschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahmen mussten ebenfalls definiert werden. 

Wenn alles glatt läuft (Corona???), sollte die Brücke zur Fahrradsaison 2022 eröffnet werden können. 

Für die polnische Seite hat die Brücke höchste Priorität! Zur Vertragsunterzeichnung der Finanzierung war sogar der Wojwode anwesend. Das hat entsprechend für Druck auf der deutschen Seite gesorgt. Ohne diesen Druck durch den Nachbarn wäre auf deutscher Seite nichts passiert. 

Wie die Finanzierung der Brückenunterhaltung funktionieren soll, weiß derzeit niemand. Das ist Angelegenheit des Amtes Oderbruch. Wie das nun wirklich nicht mit Steuereinnahmen gesegnete Amt Oderbruch das stemmen soll, wissen die Flußgötter. Nicht einmal der Landkreis sieht sich in der Verantwortung, die Landesregierung hat damit auch nichts zu tun!!! Der Einsatz von Europamitteln aus  dem EuReg Fond  ist ungewiss. Jetzt hat das Amt die Brücke mit allen kreuzungsrechtlichen Konsequenzen „an der Backe“. Man kann dem Amtsdirektor inständig wünschen, dass die Brücke keine baulichen Mängel aufweist. 

So können wir nur hoffen, dass die Brücke gut angenommen wird und Radler das Land östlich der Oder noch stärker erkunden als bisher und unsere Nachbarn ebenfalls zu Besuch kommen. 

Eben erreicht mich die Nachricht aus dem Marschallamt, dass die Eröffnung der Brücke auf der polnischen Seite am 26. Juni 2021 stattfindet. 

Die Einweihung der polnischen Hälfte der Brücke bekommt ein eigenes Kapitel hier im Anschluss


Route 20 in östlicher Richtung 

Ich habe bereits ein paar Anmerkungen zur Bahngeschichte gemacht. Östlich von Trzcinsko-Zdroj soll es mit Bahnradwegen weiter gehen. 

Die Wriezener Bahnzweigt hinter Goralice nach Norden ab, so dass eine Radverbindung zu der ebenfalls schon länger stillgelegten  Bahnstrecke Küstrin – Mysliborz (Soldin) – Choszczno (Arnswalde) über ruhige Landstraßen nach Mysliborz notwendig wird. Der Bahntrassenradweg war im letzten Jahr zu großen Teilen schon fertig gestellt. Wanda hatte uns zur Beradelung eingeladen. Gestartet sind wir in Choszczno.

Diese Radtour wird ausführlich im Kapitel "Mit Wanda auf neuen Routen östlich der Oder" ausführlich beschrieben.


 

Östlich von Choszczno wird es etwas unübersichtlich. So soll die Radroute  20 über kleine Landstraßen durch die Orte Dobrzany (Jacobshagen) – Insko (Nörenberg) – Drawsko Pomorze (Dramburg) führen, um dann Złociniec (Falkenburg) zu erreichen. Nach umständlicher Recherche habe ich nun die Information, dass die stillgelegt Bahntrasse über  Kalisz Pomorski (Kallies) nach Wałcz (Deutsch Krone) für Güterverkehr reaktiviert wird. Traurig für uns Radler aber verkehrspolitisch natürlich positiv, Güterverkehr auf die Bahn zu verlagern. 

Dann verläuft die Route 20 über Szczinek (Neustettin) weiter nach Osten bis Biały Bor (Baldenburg) und endet dann wenige Kilometer weiter unvermittelt an der Wojewodschaftsgrenze. Ob und wie es dann weitergeht, ist mir nicht bekannt. Die Abstimmung zwischen den Wojewodschaften ist offensichtlich schwieriger als zwischen Bundesländern. 

 www.trasyrowerowe.wzp.pl  (Aktualisierte Karte, April 2021) 


In Złociniec beginnt ein schöner Bahntrassenradweg, den ich schon an einem Wochenende während meiner ersten Dienstzeit in Stettin 2014 geradelt bin. Die Freunde der Stettiner Fahrradinitiative Rowerowy Szczecin, zu denen Wanda auch gehörte, hatten mir die Tour empfohlen. Damals ging die Route nur bis Połczyn Zdroj (Bad Polzien), heute ist sie als Route 15 bis Białogard (Belgard) verlängert.  Nach wenigen Kilometern nördlich erreicht man Karlino (Koerlin a.d. Persante). Dort beginnt der Radweg auf der Trasse der Kolberger Kleinbahn, auf der man dann völlig entspannt die Ostsee in Kołobrzeg erreicht. (Der östliche Ast der Kleinbahn ist noch im Stadium der Planung) 

Mehr dazu in den  Kapiteln Eurovelo R 1und Route 20 / 15


 Die Länge dieser Route beträgt von der Europabrücke bis Kołobrzeg 330 km 

Die Ostseeradroute habe ich in einem eigenständigen Kapitel ausführlich beschrieben

Fazit 

Die 330 Km lange Route von der Europabrücke bis Kolberg kann sich zu einer der attraktivsten Radrouten im erweiterten Berliner Umland entwickeln. Die touristische Infrastruktur sollte darauf eingestellt sein. Darauf hat die Verwaltung natürlich keinen Einfluss. Das Beispiel der Green-Velo-Route in Ostpolen zeigt jedoch, dass die Radroute positiven Einfluss hat. Es bestehen mittlerweile viele Privatunterkünfte, die in den bekannten Buchungsportalen nicht gelistet sind. Wenn die Routen 20 und 15 nach Fertigstellung der Europabrücke noch stärker frequentiert werden, bin ich überzeugt, dass die Zahl der Agrotyristikas deutlich zunehmen wird. Die Beschilderung der Route 20 beinhaltet auch die Wegweisung zu Einkaufsmöglichkeiten in den Dörfern. Daher wird man sicher bald auch Hinweise zu Übernachtungsmöglichkeiten finden. 

Wie gesagt, Radroutenbau ist Wirtschaftsförderung. Daher ist die Qualität sowohl der Wege und vor allem der Beschilderung entlang der Ostseeroute noch nicht auf dem Niveau des Green Velo, der in dieser Hinsicht absolut Maßstäbe setzt.  Da sehe ich eine gewisse Parallele zu Österreich, wo die Radroutenausweisung noch nicht weit gediehen ist. Ö´reich setzt auf den finanzstarken Wintertourismus und Radurlauber sind eher eine kleine nette Ergänzung.

Ich empfehle niemandem, den Ostseeweg im Sommer, d.h. während der 3 Monate dauernden Ferien in Polen zu radeln. Die beste Zeit sind die 2 letzten Wochen im Mai bzw. die 2 ersten Wochen im September. Da ist es noch oder nicht mehr so voll und einige Hotels sind schon bzw. noch in Betrieb. 

Die Tour bis Kolberg kann aber unabhängig vom Ferienzeitraum geradelt werden, da man von Kolberg mit der Regionalbahn schnell wieder in Stettin ist.

Ich sehe diese Route nicht als Konkurrenz zu unseren Brandenburger Radrouten sondern als interessante Ergänzung.

Los, auf´s Radel!

Teileröffnung der Europabrücke auf polnischer Seite

 
Ziemlich pünktlich zum 30. Jahrestag der Unterzeichnung des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages (Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit, polnisch Traktat między Rzeczypospolitą Polską a Republiką Federalną Niemiec o dobrym sąsiedztwie i przyjaznej współpracy z 17.06.1991 r.) wurde am 26. Juni bei Siekierki (Zäckerick) die östliche Hälfte der sanierten Brücke der ehemaligen Wriezener Bahn feierlich für Fußgänger und Radfahrer freigegeben. 
Kollegin Wanda aus dem Marschallamt hatte uns dazu eingeladen. 
Mit der Bahn ging´s morgens schnell bis Bad Freienwalde und von dort über die Brücke bei Hohenwutzen mit dem berühmten Polenmarkt. Den haben wir im wahrsten Sinne des Wortes links liegen gelassen, denn unsere Tour ging weiter über die ruhige Landstraße 126 in südlicher Richtung bis Siekierki. 
Auf dem Weg habe ich zum ersten Mal den westlichsten Punkt von Polen wahrgenommen, einen Findling am Ufer der Oder. Auf jeder Tour erlebt man etwas Neues! 


Am westlichsten Punkt von Polen an der Oder

 

Bunte Fahnen und der Duft von Gebratenem waren schon von Weitem untrügliche Hinweise für Feierlichkeiten.  

Wir waren ziemlich früh am Ort des Geschehens, so dass noch viel Zeit zum Besichtigen und Fotografieren der in neuem Glanz erstrahlenden Eisenbahnbrücke vorhanden war. 
 

Ein mit einem Kunsstoffbelag, ähnlich einer Wettkampflaufbahn, versehener Radweg führt bis zum immer noch unsanierten (aber in Arbeit befindlichen Teil!) auf deutscher Seite. Die raue Oberfläche garantiert Grifffähigkeit, weiße Streifen an den Kanten und Reflektionen an den Konstruktionselementen erhöhen die Sicherheit bei Dunkelheit. An der polnisch-deutschen Grenze wurde der 0 km, also der Beginn der Westlichen Seenland Route der längsten Velo Route in Westpommern markiert. 

 

Auf der Brückentrasse sind Ruhezonen mit Bänken und Fahrradständer installiert worden. Die einheitliche Beschilderung, Infotafeln mit Archivfotos der Brücke und ihrer Geschichte ergänzen und unterstützen das überaus positive Erscheinungsbild der für Fußgänger und Radfahrer sanierten Anlage. 
 

Schon während meiner Zeit im Büro mit Wanda 2016 wurde über den Bau einer Aussichtsplattform auf der Brücke diskutiert. Ich hielt eine solche Konstruktion für überflüssig, zumal der damals diskutierten Entwurf, sehr mächtig wirkte und die filigrane Konstruktion der Brücke zu sehr dominiert hätte. 

Die nun realisierte Konstruktion der Plattform fügt sich harmonisch in das Gesamtbild von Brücke und Landschaft ein und bietet einen fantastischen Rundblick von den Moränenzügen des östlichen Ufers, über die Hauptoder bis weit in das Oderbruch. Nach meiner Auffassung hat sich der Aufwand doch voll und ganz gelohnt. 

 

Ab den 1990er-Jahren verfiel die Bahnanlage. Eine gründliche Renovierung und Anpassung an ihre neue Funktion wurden nach Auskunft aus dem Marschallamt zu 85% aus dem Programm Interreg V a Mecklenburgia-Pomorze Przednie / Brandenburg / Polen sowie aus Mitteln der Woiwodschaft Westpommern und der Gemeinde Cedynia finanziert. Die Kosten der Maßnahmen auf polnischer Seite belaufen sich auf   knapp 12 Millionen Złoty (PLN), d.h. ca. 3 Mio €. 

Dieser Abschnitt bis zur Hauptoder lässt von der Brücke Blicke auf das von Altarmen der Oder und Feuchtgebieten geprägte Ostufer des Flusses zu, Einblicke in eine Landschaft, die bis dahin verborgen war. Gut erkennbar sind die Stützen der ehemaligen Straßenbrücke, wo auf einer der „berühmte“ Uhu nistet. Ein älterer Herr, der die Natur dieses Ortes genau kennt, erzählte mir, dass der Uhu so versteckt nistet, dass sein Nest auch von der westlichen Hälfte der Brücke kaum sichtbar sei. 

 

Im Rahmen der Zeremonie hielten der Marschall der Woiwodschaft Westpommern Herr Olgierd Geblewicz, der für Europaangelegenheiten der Brandenburger Landesregierung zuständige Staatssekretär Herr Jobst Hinrich Ubbelohde, der Direktor des Amtes Barnim-Oderbruch und weitere Persönlichkeiten aus der Politik eindrucksvolle und sehr persönliche Reden, in denen das Verbindende, die Bedeutung einer Brücke für die guten Nachbarschaftlichen Beziehungen der auf östlicher und westlichen Seite der Oder lebenden Menschen in den Vordergrund gestellt wurde. 

Das Marschallamt in Szczecin hat mir dankenswerter Weise die offizielle Pressemitteilung übermittelt, aus der ich im Folgenden zitiere. (Der Text ist original in polnischer Sprache und automatisch übersetzt worden. Ich habe mir erlaubt, Formulierungen zum besseren Verständnis anzupassen). 

Es gab kein symbolisches Durchtrennen des Bandes, dafür aber viel Spaß, schönes Wetter und Attraktionen für Freunde  aktiver Freizeitgestaltung. Die größte Gruppe kam als Begleitung des Woiwodschaftsmarschalls. „Ich bin sehr froh dass ich mit dem Fahrrad mit einer bunten Gruppe von Radlern aus Stettin hierher kommen konnte“, sagte der Marschall an der Brücke in Siekierki. 

Der Marschall der Woiwodschaft Westpommern, Olgierd Geblewicz erinnerte in seiner Rede an seine Kindheit, „zu der die Grenze mit Stacheldraht abgeriegelt war,  und verbunden mit etwas Schlimmem, Feindseligem. Heute besiegeln wir mit der Eröffnung dieser Brücke eine nachhaltige Veränderung an der polnisch-deutschen Grenze, die wir als etwas anderes erleben wollen. Als freundliches, offenes Grenzland, das nie wieder durch Stacheldraht getrennt werden kann. 

Olgierd Geblewicz erwähnte, dass während des Kalten Krieges die Eisenbahnbrücke nur militärisch genutzt wurde. Und jetzt hat sie die Chance, ein Symbol der Versöhnung zu werden. Ein Symbol für das, was man als großes Wunder bezeichnen kann, was nach solchen traumatischen historischen Erfahrungen quasi neu erschaffen wurde. 

Er ist überzeugt, dass gute Beziehungen an der polnisch-deutschen Grenze als ein Erfolg großer Persönlichkeiten wie Władysław Bartoszewski zu sehen wären. Eine Persönlichkeit, die einen großen Teil ihres Lebens für die polnisch-deutsche Aussöhnung geopfert hat, ein Mensch, dessen großes Anliegen als ehemaliger KZ Häftling die Versöhnung der Nachbarländer war. Deshalb werde er sich mit aller Kraft dafür einsetzen, dass diese Brücke den Namen dieses großen Mannes künftig tragen sollte, betonte der Marschall. 

„Es ist ein schöner Ort um die Freizeit dort zu verbringen. Zu jeder Jahreszeit. Lassen Sie uns jeden Tag die Schönheit des Grenzlandes erleben. 

Der deutsche Teil ist noch nicht fertig, aber im nächsten Jahr wird das Netz der deutschen Radwege über die Brücke dauerhaft mit  verbunden sein, die im Rahmen des äußerst ambitionierten Fahrradprogramms Westpommern realisiert wird.“ 

„Herzlichen Glückwunsch zum Abschluss der ersten Etappe. Ich hoffe dass unsere zweite Etappe schnell abgeschlossen ist und wir uns im Herbst wieder hier treffen können, um den Übergang auf die westliche Seite der Oder zu öffnen“, sagte Jobst Hinrich Ubbelohde, Staatssekretär für europäische Angelegenheiten und Bevollmächtigter für die Zusammenarbeit zwischen Polen und Brandenburg. In Siekierki vertrat er den Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg. 

„Die Brücke ist ein Symbol, das Menschen in dieser gemeinsamen Region verbinden soll, gleichzeitig schließt diese Brücke die Lücke im touristischen Infrastrukturnetz zwischen Polen und Deutschland. Sie schafft die Verbindung der Fernradwege entlang von Oder und Neiße sowie einen direkten Zugang nach Berlin. Es wird möglich sein, touristische und landschaftliche Höhepunkte in der Region zu besuchen. Brandenburg werde diese Rolle fördern“ kündigte Staatssekretär Ubbelohde an. 

Der Leiter des Amtes Barnim-Oderbruch, Amtsdirektor Karsten Birkholz, wies darauf hin, dass die vergessene Bahnstrecke erst einmal in das Gedächtnis der Grenzgemeinden und Kreise rückgerufen werden musste. Auf der Oder wurden Freizeitveranstaltungen und sogar ein Marathon organisiert, um auf diesen Ort aufmerksam zu machen. Der Name Europabrücke wurde populär. 

Auch Draisinenverkehr wurde probiert. 

„Wir sind sehr stolz darauf, dass wir dieses Projekt aus INTERREG-Mitteln dank der Entscheidungen des Begleitausschusses umsetzen können. Zumindest für das Amt Barnim-Oderbruch und seinen Amtsausschuss war   es   das   bisher   größte   Vorhaben,  dass   wir   in   eigener   Regie umsetzen. Auch die bisherigen Eigentümer, die polnische Bahn PKP und die Deutsche Bahn, standen und stehen mit Rat und Tat zur Seite. Ehrlich gesagt bin ich sehr neidisch, dass die polnische Seite ihre wunderschöne Brücke schon jetzt eröffnen kann. Diese Brücke wird keine Sackgasse bleiben, das sage ich Ihnen zu. Und dass wir es ernst meinen, können Sie sehen. Sie können es an den Arbeitstagen auch erleben und hören. Auf deutscher Seite sind wir nicht ganz so schnell, wir werden noch einige Monate benötigen. Seien Sie sicher, dass wir gemeinsam über die Brücken fahren werden. Ich freue mich jedenfalls, dass wir zum Wohle unserer Bürger und unserer gemeinsamen Region zeigen: Zusammenarbeit funktioniert und wir verbinden uns weiter. Vielen Dank.“ (Diesen Text hat mir Herr Birkholz freundlicher Weise überlassen, herzlichen Dank dafür) 

„Die  Sekretärin der Gemeinde Cedynia, Frau Anna Witek dankte im Namen der Einwohner und des Bürgermeisters für die Initiative und das professionelle Engagement bei der Vorbereitung und den Wiederaufbau des ehemaligen Brückenübergangs. Sie betonte, dass solche Projekte, das enorme touristische Potential der Region helfen, auszuschöpfen. Das Odertal sei ein wahres Paradies für Touristen und Naturliebhaber“ betonte  Anna Witek. 

„Es ist wirklich großartig“, sagte der Abgeordnete Arkadiusz Marchewka, Vorsitzender der Westpommerschen Parlamentsfraktion, der mit dem Fahrrad in Rennmontur zur Eröffnungszeremonie kam. „Herzlichen Glückwunsch an alle, die an der Umsetzung dieses Projekts beteiligt waren. Ich danke Ihnen und unterstütze mit aller Kraft diese großartige Initiative, in Westpommern über 1000 km touristische Radwege anzulegen.“ 

Die Aktivitäten der Woiwodschaftsverwaltung zur Entwicklung des Tourismus und der grenzüberschreitenden Beziehungen wurden vom Honorarkonsul der Bundesrepublik Deutschland in Stettin Mariusz Majkut gewürdigt. Er sprach sich auch für das Ziel aus, die Brücke nach Władysław Bartoszewski zu benennen. 

(Zum Leben von Władysław Bartoszewski (1922 – 2015) ist in den Jahren 2018 – 2020 eine Ausstellung in einer großen Zahl deutscher Städte organisiert worden. Eine Zusammenfassung dieser Aktivitäten ist als Broschüre aufgelegt und verteilt worden. Ich konnte eines der wenigen Exemplare ergattern!) 

Eine sehr gelungene Veranstaltung, die heute schon Vorfreude auf die Eröffnung der Brücke in voller Länge entstehen lässt. Meine Fahrradpartnerin und ich freuen uns schon auf diesen Tag!!! 

Nun heißt es Abschied nehmen, um in Schwedt einen Zug zu einer Zeit nach Berlin zu erreichen, der noch nicht mit Rückreiseverkehr aus Angermünde und Chorin „knacke“ voll wird. 

Wieder ging es im Bogen um den Polenmarkt weiter auf der 124 in den Ort Osinów Dolny, von dessen Existenz mir bis dahin nichts bekannt war. Dort gibt es einen Biedronka Supermarkt, in dem ich noch etwas zu trinken kaufen wollte. Ich gebe zu, eine Packung Pierogi, eine Tüte Kuhbonbons und ein Eis für jeden von uns gingen dann noch mit. Wir konnten dort das höchst peinliche Verhalten unserer Landsleute beobachten, die wagenweise  Lebensmittel in ihre 50.000 € SUV´s packten und 100 km bis nach Berlin fuhren. Für dieses Verhalten kann ich mich nur schämen. 

(Anmerkung zum Polenmarkt: Nach der Eröffnung der Radroute bis zur Brücke, wollte ich mir ein paar Dosen „Zubr“, meinem Lieblingsbier, das mit dem Wisent, kaufen. Ich bin fast ohnmächtig bei dem Preis geworden, der war so fast dreimal so hoch wie bei Zabka in Szczecin!!!) 

Wir sind nun erfrischt weiter auf der ruhigen Landstraße 125 geradelt. Nach dem Abzweig nach Chojna waren dann fast keine Autos mehr unterwegs und so konnten wir die beschauliche Landschaft und die historischen Alleen, bestanden mit uralten Linden, genießen. 

 

Der Abstecher zum „Katzen Café“ in Zatoń Dolna , das ich auf einer Tour vom ADFC  als Teilnehmer kennen gelernt hatte (s. Drei Touren östlich der Oder auf www.dein-fahrradpartner.de) war obligatorisch. Ich wollte, dass meine Partnerin diesen so unbeschreiblichen Ort auch kennen lernt. Das Café wird von einer Polin und ihrem aus Frankreich stammenden Mann betrieben. Leckere Tartes, ganz nach französischer Art, waren in dieser Oase mit Natur und Kunst ein weiterer  Höhepunkt des Tages. Diesmal waren die Katzen unterwegs und haben nicht wie damals Kaffee stibitzt. 

 

Noch wenige Kilometer entlang des Oderufers und Schwedt war erreicht, auf die Sekunde pünktlich zur Einfahrt des Zuges. 

 

Abschließend empfehle ich das offizielle Eventvideo!!! 

https://youtu.be/AYsWJjpo7tQ