Blue Ridge Mountains


Wo kann man in den USA auch noch gut Fahrrad fahren?
Ein Blick auf die Landkarte zeigt im Osten zwei fast mit einander verbundene Straßen, die Nationalparkstatus haben, der Blue Ridge Parkway (im ersten Teil Skyline Drive) von Front Royal in Virginia bis zum Great Smokey Mountains NP in North Carolina und südlich der Natchez Trace Parkway von Nashville, Tennessee bis Natchez in Mississippi.
Die Reise begann mit drei Tagen in Washington DC bei Sam, den ich ein Jahr vorher in Berlin kennen gelernt hatte. Es hätten auch mehr Tage in dieser hoch interessanten Stadt sein dürfen, aber wenn eine Fahrradferntour geplant ist, muss auf den Zeitplan geachtet werden
Die gut 100 Km von Washington DC nach Front Royal zum Beginn des Skyline Drive hat mich Freund Sam mit dem Auto gebracht. Die Zufahrten zu den Parkways, die nur von wenigen Radfahrern befahren werden, sind das Problem. Das Fahren auf dem Parkway selbst, ist bei max. 25 mph (40 Km/h) äußerst entspannt, zumal, wer auf einem Parkway unterwegs ist, Landschaft und Natur erleben will.
Mit leichtem Auf und Ab führt der Weg durch lichte Wälder mit eingestreuten Wiesenlandschaften. Eine Erholung nach den Eindrücken der Stadt. So bleibt es aber nicht. Es gibt Abschnitte mit heftigen Anstiegen. Zwischen Waynesboro und Roanoak sind zwei Pässe mit zusammen ca. 3.000 m zu bewältigen, zwischen denen auf einer Strecke von ca. 160 Km kein Ort mit Möglichkeit zum Übernachten besteht. Um diesen Abschnitt zu bewältigen, wurde der Bus als Alternative gewählt.
Danach waren keine vergleichbaren Hindernisse vorhanden und die Tour ging in angenehmer Weise weiter.
In Mabry Mill hatte ich das erste musikalische Erlebnis auf der Tour zu den Wurzeln des Blues. An der historischen Mühle spielte ein Mann auf dem Appalachian Dulcimer. Ich habe ihm eine Weile in Ruhe zugehört. In einer Pause fragte er mich, wo ich her käme und ob ich denn so wisse, was für Musik er denn spielt. Der zweite Teil der Frage hat mich dann etwas in Verlegenheit gebracht und ich hab geantwortet, „it sounds like a Bavarian Landler!“ Seine Antwort, „Oh, dear, thats´s not a Landler, that´s a Schnadahupfel, great Bavarian Music“ Er hat mir dann erklärt, dass die Region um Mabry Mill Siedlungsgebiet deutscher Aussiedler sei. Deutsche Musik ist daher dort noch immer präsent.
Die wirkliche Hymne dieser Landschaft lautet anders:

„Almost heaven, West Virginia
 Blue Ridge Mountains, Shenandoah River
 Life is old there, older than the trees
 Younger than the mountains, growing like a breeze“
 (John Denver)

Bei der  Mabry Mill war, abzüglich der Busfahrt, die Hälfte des Blue Ridge Parkways geschafft. Noch weiter gemütlich 350 km bis Asheville.
Hier musste die Fahrradtour entlang der Appalachen enden. Die Fortsetzung zum Natchez Trace Parkway, der unweit südlich von Nashville beginnt, habe ich mit einem Mietwagen überbrückt. Asheville war die einzige Stadt, in der ein One-way Rental angeboten wurde. Der Weg führte über Pidgeon Forge, „Home of Dolly Parton“, die über sich sagt, „es ist teuer so billig auszusehen!“ Auf den Besuch im Vergnügungspark Dollywood habe ich gerne zugunsten einer Wanderung im Great Smokey Mountains NP verzichtet.
Diese ca. 2.100 km² Waldfläche, die  zu den ältesten Wäldern der Erde gehört, verdunstet so viel Feuchtigkeit, dass immer eine leichte Nebeldecke über dem Nationalpark liegt und ihm so den Namen gab.
Hatte riesengroßes Glück am Sonnabend in Nashville anzukommen, war nicht planbar. Nach der ausgiebigen Besichtigung der Country Hall of Fame stand das Abendprogramm an. Ich hatte eine günstige Karte für eine eher langweilige Hank Williams Show erstanden und kam so immerhin zu Musik in das für seine Akustik berühmte Rhyman Auditorium „Now we had the Opera, now we will have the Grand ol´Opry“. Wenn es eine Konzertaufnahme von dort gibt, kann ich immer sagen, da auf dem Rang habe ich gesessen.
Die Show war in Robert´s Western World Home schnell vergessen, Diese Kneipe ist (hoffentlich auch noch heute) was ganz spezielles, tagsüber Schuhgeschäft und abends Kneipe mit Live Music. Diesen Laden als  „Schuhgeschäft“ zu bezeichnen, passt überhaupt nicht.
Man sitzt neben geschätzten 100 Regalmetern Cowboystiefeln und bekommt Musik in höchster Qualität. Es spielte eine Rockabilly Band, die fast alle von den Sitzen riss. Der Fahrradpartner war eher der genießende Zuhörer, bis er von einer Countrylady mit großem Cowboyhut zum Tanzen aufgefordert wurde. Die Einwände, mit Fahrradschuhen ist das ganz und gar nicht möglich und wohin mit der Lenkertasche mit Foto, wurden beiseite geräumt und es machte mir als bekennendem Nichttänzer, unglaublich Spaß, und dann … durfte ich mir einen Song wünschen, so war das damals, und ich sagte, „please play a Gram Parsons number!“ … und sie spielten Hickory Wind, unvergesslich! (Die Lenkertasche wurde von den Großeltern der Lady beaufsichtigt, so ein gemischtes Publikum, für einen Berliner unfassbar!)


Nun wird´s wieder Zeit, an´s Fahrradfahren zu denken.

Wie komme ich aus der Stadt mit dem endlosen Highwaywirrwarr zum Beginn des Natchez Trace Parkway, no chance for cyclists, so let´s take a taxi.

Der Fahrer war schon sehr speziell, er erzählte mir, dass er schon mal in Deutschland gewesen sei und das das ja ein sehr ärmliches Land sein muss, wo die Leute übereinander wohnen müssen und keine eigenen Häuser besitzen. So kann man´s auch sehen.

Südlich von Nashville also beginnt der Parkway, der auf einer 8.000 Jahre alte Handelsstraße bzw. einem  -pfad vorwiegend der Cherokee-, Choctaw- und Chickasaw-Indianer verläuft. 

Das Landschaftsbild, insbesondere die Vegetation ändern sich im Vergleich zum Beginn. Waren es anfangs noch Wälder mit mitteleuropäischen Bäumen, stehen jetzt Zypressen und andere subtropische Bäume am Weg. 

Schon Nashville liegt auf dem 36. Breitengrad, also südlich von Tunis.

Es wird wärmer, ich muss früher los, um in der Mittagszeit eine längere Rast halten zu können. Der Weg ist perfekt und fast eben, es rollt!

Es rollt so gut, dass ich schon am 2. Tag den Tennessee River überquert habe und in Alabama angekommen bin. Der Parkway quert Alabama auf wenigen Kilometern in der Nordwest Ecke.

Der nächste Bundesstaat ist Mississippi, der vom Natchez Trace auf einer Länge von ca. 700 Km diagonal gequert wird.

Das erste Highlight auf der Tour ist Tupelo, birthplace of Elvis Presley. Auf dem Foto lehnt mein Fahrrad an Elvis Geburtshaus, es ist nicht so, dass Elvis sein Fahrrad vergessen hätte. Schon erstaunlich, dass ein solches Historical Monument unbewacht offen steht, man kann einfach `reingehen und sehen, wie´s bei Presleys in der zwei Zimmer Log Cabin aussah, so als würde der King gleich reinkommen. 

Abends dann ein Konzert im Tupelo Cilliseum (heute Bancorp South Arena), Lynyrd Skynyrd, dieee southern Rockband.

Das Problem abends dort hin zu kommen und dann wieder zum Motel, ließ sich problemlos lösen. Ich konnte mein Fahrrad bei der gegenüberliegenden Police Station abstellen.

Leider war die Akustik so gruselig schlecht und die Musik leider ein einziger Klangbrei, dass ich auf Sweet home Alabama verzichtet habe. War kein großer Verlust, die Konzertkarten sind dort deutlich billiger, ich glaube es waren 15 $ plus Tax. (Die Doobie Brothers im Vorprogramm waren den Eintritt schon wert!) Trotz des nun nicht so tollen Konzerts bin ich Fan geworden und so lange geblieben bis sie sich zum musikalischen Arm der Tea Party und der NRA entwickelt haben, schade, sind eine gute Band.

Über Kosciusco geht die Route nach Jackson, der Hauptstadt von Mississippi.

Über den Ortsnamen Kosciusco hatte ich mir seiner Zeit keine großen Gedanken gemacht, ich erinnerte mich an frühere Reisen (ohne Fahrrad!) an einen gleichnamigen Nationalforest in Colorado. Durch die Beschäftigung mit Polen (Green Velo) weiß ich, dass Tadeusz  Kosciusco ein polnischer Nationalheld ist, der im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg an der Seite von George Washington als Unterstützer der Ideale der Aufklärung und Gegner der Sklaverei kämpfte.

So schließen sich Kreise!

Es wird heißer und feuchter. Ich erreiche eine Tankstelle am der nördlichen Stadtbeginn von Jackson. Endlich Kühle, Klimaanlage und sinke auf einen Stuhl. Die Besitzerin holt mich mit einer großen Cola zurück ins Leben. Immerhin habe ich schon fast den 32° Breitengrad (Tel Aviv) erreicht. Nachdem ich der hilfsbereiten gesagt habe, wo mein Hotel ist, am anderen Ende der Stadt, hat sie ohne groß zu fragen ein Taxi bestellt. Sie wusste warum, 8 – 10 spurige Autobahnen ziehen sich durch die Stadt und wir fuhren, durch Slums mit verkohlten Ruinen das Taxi fest verschlossen! Hatte an dem Tag schon 110 km hinter mir und bei den äußeren Umständen hätte der Tag vermutlich kein gutes Ende gefunden. An dieser Stelle ein großer Dank an die resolute Tankstellenbetreiberin, sorry be sure you never would read this, but thank you so much.

Noch ein heißer Tag. Die Motivation zum Radeln war nicht die größte. An einem Informationsstand hatte ein Parkranger zu tun. Ich fragte ihn, ob es in der Nähe etwas zum Übernachten gäbe. Vom Wagen aus rief er über sein Funktelefon bei einem B&B an und kündigte mich an. Bed and Breakfast ist etwas anderes als Übernachtung mit Frühstück bei uns. Man sitzt zwischen Antiquitäten und sollte mit anderen Gästen Konversation treiben.

Das Frühstück war dann auch very special, a typical southern food mit der Nationalspeise „grits“, Maisgrütze, aber ganz anders als Polenta, nee hab ich in mich ´reingezwungen, immer unter Aufsicht der Wirtin, „so my dear, you survived  the southern breakfast, now you are a southern man and so I´ll prepare a normal breakfast with eggs an everything you like to have.“ „Sweet home Mississippi“ 

Zwei Erlebnisse auf dem letzten Abschnitt bis zum Ziel sind noch zu berichten.

Ich rollte so leicht bergab vor mich hin und sah auf der Straße einen dicken Ast liegen, den ich in kleinem Bogen umfahren wollte. War so auf knapp 10 m dran, do rollte sich der vermeintliche Ast beiseite, eine dicke Klapperschlange!!!

Das zweite Erlebnis soll die manchmal etwas skurrile Mentalität der Amerikaner beschreiben. Im Heritage Place Mount Locust, zu dem ein historischer kleiner Gasthof gehört, saß ich auf der Veranda und hatte die an diesem Tag angenehme Temperatur mit leichtem Wind genossen. Eine Gruppe junger Leute kam und drängelte sich in den winzigen Gastraum. Als eine junge Frau auf die Veranda kam, fragte ich sie, wieso sie nicht hier draußen bei mir sitzen, kann doch kaum schöner sein, die Antwort war, „we love it ice cool“ und verschwand wieder im Kühlschrank.

Das Ende der Radtour Natchez am Mississippi, dem ol man River, dem big Muddy, dort wo die Wurzeln unserer populären Musik zu finden sind, dort wo der Blues entstanden ist, they call me Muddy Waters, they call me the hoochie coochie man (Ist was unanständiges), but it´the blues, man. (Anmerkung: Muddy Waters ist ein Vertreter des Chicago Blues)

Die Stadt Natchez ist berühmt für ihre grandiosen Herrenhäuser der Antebellum-Architektur im Greek-Revival-Stil. Durch die Stadt mit ihren Parks zu radeln und die berühmeten Plantation Homes zu besichtigen, war ein würdiger Abschluss einer abenteuerlichen Radtour. Es darf jedoch nicht vergessen werden, durch wessen Arbeitskraft, diese beeindruckenden Häuser geschaffen wurden.

Mit dem Bus ging´s über Baton Rouge (Just a flat in Baton Rouge, waiting for the train …) nach New Orleans, einer Stadt in der man gewesen sein muss, where the crocodile´s dancing to Cajun music, down in the bayou, Voodoo queen Mary La Vaux ….
Und zum Schluss am Flußufer noch Dr. John, besser geht´s nicht!