Der Donauradweg
Der Klassiker unter den Fernradwegen. Für die meisten ist der Donauradweg der Radweg zwischen Passau und Wien. Genau genommen ist er der bedeutendste Abschnitt des Eurovelo 6 vom Atlantik zum Schwarzen Meer mit der Gesamtlänge von 4.500 km.
Nantes – Tours – Orléans – Nevers – Chalon-sur-Saône – Basel – Ulm – Passau – Linz – Ybbs – Wien (EV9) – Bratislava – Budapest – Belgrad – Bukarest – Constanța.
Die hier folgende etwas für eine Fahrradseite ungewöhnlich lange Einführung zur Donau ist aus Vorträgen zusammengestellt, die der Fahrradpartner als Kulturlektor auf einem Donaukreuzfahrtschiff gehalten hat. Seine Karriere als Lektor war nach einer Tour schon wieder beendet. Die Begründung lautete „zu anspruchsvoll, zu wissenschaftlich, zu wenig unterhaltsam“. Der Fahrradpartner ist jedoch überzeugt, dass es durch den Unterhaltungs- und Entertainmanager andere Machenschaften gab.
Danuvius fluvius est
Der erste Satz im Lateinunterricht
Gleich einer Lebenader durchquert die Donau Europa.
Die Donau ist nach der Wolga der zweite längste Fluss in Europa. Kein anderer Fluss hat so viel Anrainer wie die Donau.
In vieler Hinsicht ist die Donau mehr als ein Gewässer. Kein anderer Strom kann sich mit ihrer kulturellen und geschichtlichen Vielfalt messen. Als wichtiger Wasserweg hat sie seit Jahrtausenden Menschen an ihre Ufer gezogen. Auf dem langen Weg durch Europa verbindet die Donau heutzutage zehn Länder. Gleich zehn Staaten gibt es entlang der ungefähr 2880 Flusskilometer: Deutschland, Österreich, die Slowakei, Ungarn, Kroatien, Serbien, Bulgarien, Rumänien, Moldawien und die Ukraine und vier Hauptstädte. Damit ist sie der internationalste Fluss der Welt. Trotz aller Wendung ist sie bis heute voller Geheimnisse geblieben. Schon seine Länge ist nicht eindeutig zu bestimmen und das zählt damit zu einer der Eigentümlichkeiten.
Da die Donau im Schwarzwald entspringt und im Schwarzen Meer mündet, wird sie mitunter scherzhaft als Schwarzer Fluss bezeichnet.
Schon die Länge der Donau ist nicht eindeutig bestimmbar, weil zwei Gemeinden die Quelle für sich in Anspruch nehmen.
Quelle der Donau
Hier entspringt der Hauptquellfluss der Donau, behauptet jene Hinweistafel an der Breg Quelle hoch oben im Schwarzwald, doch ungeachtet dieser lapidaren Erklärung ist die Jahrhunderte lang diskutierte Frage nach dem Ursprung der Donau bisher ungeklärt und überdies verantwortlich für heftige Auseinandersetzungen zwischen den Städten Furtwangen und Donaueschingen. Hydrologisch gesehen beginnt die Donau an der Breg Quelle. In der vom Schweizer Verlag Kümmerly und Frey herausgegebenen Karte Schwarzwald und Bodensee 1: 200 000 ist an der Breg Quelle Donauquelle eingetragen.
Google Maps macht sich das Leben ganz einfach, gibt man „Donauquelle“ ein, werden einem zwei Orte genannt, einmal steht wie in der Schweizer Karte an der Breg Quelle „Donauquelle“ und in Donaueschingen gibt es im Fürstlich Fürstenbergischen Park eine zweite Donauquelle. Diese ist im gründerzeitlichen Stil mit Anleihen an die griechische Antike gestaltet, und in einer Wand steht in Stein gemeißelt, 2840 Kilometer. Dort ist auch das erste Fahrradschild, das auf den Donauradweg weist, aufgestellt.
Dazu führt Claudio Magris, Literaturprofessor in Triest, in seinem Buch, dem Standardwerk zur Donau, „Donau - Biographie eines Flusses“ folgendes aus:
„Noch zusätzlich kompliziert wird die Sachlage durch eine kühne Hypothese, die Amedeo, renommierte Sedimentologe und geheimer Historiograph von Missverständnissen kürzlich aufgestellt hat, wonach die Donau einem tropfenden Wasserhahn entspringt.
„Wenn man von dieser Mulde (an der Brigach, Anmerkung des Fahrradpartners) aufwärts geht, gelangt man zu einem Haus aus dem 18. Jahrhundert, einem Holzschuppen und in einer langen hervor springenden Rinne oder einem Rohr, das unmittelbar an dem Holzschuppen vorbeiführt und in die in reichlichem Maße Wasser in Richtung jener Mulde am Fuß des Hügels abfließen lässt. Es lässt sich nicht leugnen, dass Wasser, das den Abhang hinunter und in die Mulde fließt und diese als Donauquelle verlässt, kommt aus der Traufe oben am Berg.“ Professor Magris ist dieser Aussage nachgegangen und wie die Fahrradpartner herausgefunden haben, hat er Recht, nur hat er die Quelle der Brigach beschrieben und meinte sicher die der Breg.
Egal, es gilt der Satz „Brigach und Breg bringen die Donau zu weg“. Der Zusammenfluss liegt wenige 100 m unterhalb der „offiziellen“ Quelle im Fürstenbergischen Park.
Der erste Abschnitt des Donauradweges von der Quelle (der Breg) bis Ulm ist gleich einer der schönsten. Auf diesem Abschnitt wird entlang der Donauversickerung, die offiziell Versinkung heißt, entlang geradelt. Hier entscheidet sich das Schicksal der Donau, die hydrologisch ein Nebenfluss des Rheins ist. In unterirdischen Karstströmen fließt der größere Teil des Donauwassers zur Radolfzeller Aach und dann in den Rhein.
Der Donauradweg ist auf den historischen sog. Treppelwegen angelegt worden, wo in der Zeit vor der Dampfschifffahrt Lastkahnverbände mit bis zu zehn mit einander vertäuten Booten von 50 bis 60 Pferden die Donau aufwärts gezogen wurden.
Einen vergleichbar landschaftlich schönen Abschnitt im deutschen Teil der Donau ist der Donaudurchbruch bei Weltenburg. Radler haben die Chance, das Kloster am frühen Abend zu besuchen, wenn die tausenden von Tagesgästen wieder fort sind.
Bald ist Passau erreicht und ihr radelt den bekanntesten Abschnitt bis Wien, kommt entlang der Schlögener Schlinge, erlebt die Enge der Struden und fahrt oberhalb der Donau durch die Weinberge der Wachau. So ruhig, wie heute war die Fahrt durch die Struden nicht immer, wie die folgende Geschichte schildert: Ein italienischer Graf hat den Kapitän seines Schiffes aufgefordert ihn zu wecken, wenn die Fahrt durch die Struden beginnt. Es wolle sicherheitshalber laufen. Die Mannschaft vergaß den Grafen zu wecken und er verschlief die Fahrt durch die wilden Struden. Als er das Versäumnis bemerkte schalt er den Schiffer:" Wenn ich nun ersoffen wäre hätte ich dich Schelm erschossen!"
Im 18 Jh. fuhren die bekannten Ulmer Schachteln die Donau abwärts, auf denen Aussiedler aus deutschen Regionen, die in die nach den Türkenkriegen in entvölkerten ungarischen Gebieten eine neue Heimat gefunden haben.
Die meisten Radler beenden ihre Tour in Wien, was aber ein großer Fehler ist, denn im weiteren Verlauf warten weitere landschaftliche und kulturelle Höhepunkte auf die Radler.
Auch wenn man nun nicht wenigstens bis Bratislava, der mit einer sanierten Altstadt und dem Schloss aufwartenden Hauptstadt der Slowakei weiter radeln will, sollte doch wenigstens den Nationalpark Donauauen, der gleich stromabwärts hinter Wien beginnt kennen lernen. Es ist die letzte natürliche Flussauenlandschaft in Mitteleuropa. Großes bürgerliches Engagement hat dafür gesorgt, dass diese Landschaft erhalten werden konnte und nicht, wie so viele Abschnitte der Donau mit Staudämmen verbaut wurde. Euer Fahrradpartner empfiehlt als Kurztrip den Weg durch den Auennationalpark bis zur Fähre, die zur Römerstadt Carnuntum übersetzt. Von dort und weiter über das Leithagebirge, dem letzten Alpenausläufer radeln und genüsslich bergab den Neusiedler See zu erreichen. Die Umrundung des Sees hält zwei Höhepunkte bereit, das Schloss Fertöd vom Fürsten Esterhazy in Ungarn und die Ausläufer der ungarischen Tiefebene an der Ostseite des Sees. Von Neusiedl kann man mit der Bahn wieder zurück nach Wien gelangen.
Die Etappen bis Budapest ist der Fahrradpartner mehrfach in unterschiedlichen Kombinationen gefahren. Nun aber kommen die den meisten unbekannten Abschnitte. Bis Esztergom empfiehlt der Fahrradpartner auf der Nordseite, d.h. auf der slowakischen Seite zu fahren. Dann müsst ihr auf die Südseite wechseln, um mit der Fähre auf die Donauinsel wechseln zu können. Schöner als dort kann man kaum Radfahren. Von Szentendre bis Budapest wird es ziemlich unübersichtlich. Man kann auch die Vorortbahn nehmen!
Von Budapest flussabwärts sind die ersten Kilometer vom Radweg auch nicht leicht zu finden, aber irgendwann taucht dann doch das erste Routenschild Eurovelo 6 auf und dann geht’s mit bester Wegweisung stromabwärts. Die GTZ hat die Route durchgeplant und beschildert. Das muss ein Traumjob für Radfreunde und Ingenieure gewesen sein.
Kurz hinter Budapest traf der Fahrradpartner einen Radler mit einer Panne. Der Gepäckträger war angebrochen. Klar, habe ich angehalten und versucht zu helfen. Habe einen Teil vom Gepäck genommen und am Abend haben wir aussortiert, was er nach Hause senden konnte. Mit weniger Gewicht hat der Träger gehalten.
Das war die Bekanntschaft mit dem dicken Alain aus Belgien. Bei heftigstem Gegenwind auf dem Deich hat er Windschatten gemacht und wir sind einen 24er Schnitt gefahren. Meine Versuche, ihn mal abzulösen endeten nach wenigen Kilometer, wir wurden ihm zu langsam.
Auf der ersten Fernradtour durch Ungarn noch lange bevor der Eiserne Vorhang fiel hatte die Gruppe ein besonderes Erlebnis. In Südungarn, nicht weit von der Donau, spürte ich einen Unterschied zu den Dörfern, durch die wir vorher geradelt waren. Ich sagte zu meinen Freunden, hier riecht´s nach Streuselkuchen, nach Butter! Bei einer kurzen Pause, um in der Karte nachzusehen, sprach uns ein älterer Herr in einem altertümlichen Deutsch an, ein Donauschwabe. Mein Geruchssinn hatte mich nicht getäuscht, wir waren in einem deutschen Dorf in der schwäbischen Türkei. Der Geruch von Butter unterschied das Dorf von ungarischen, in denen vorwiegend mit Schmalz gebacken wird!
Im Laufe des 18. Jahrhunderts sind Zehntausende vor allem aus südwestlichen Gebieten des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nationen in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft ins Königreich Ungarn ausgewandert und wurden entlang der mittleren Donau angesiedelt. Schon die Auswanderer waren keineswegs eine einheitliche Gruppe. Obwohl sie aus verschiedenen Regionen kamen, verschiedene Dialekte sprachen, unterschiedliche Berufe und Konfessionen hatten, wurden die Einwanderer von den ungarischen Behörden als Schwaben bezeichnet.
Beim Warten auf die Fähre vor Mohacs mussten Alain und der Fahrradpartner fast eine Stunde im Kreis fahren, um nicht von Mücken aufgefressen zu werden. Der Wirt hat uns den Grund für die Mückenplage erklärt. Im ehemaligen Sperrgebiet am Ochridsee in Albanien gehen die Einheimischen auf Singvogeljagd und die Mücken haben keine Feinde mehr und vermehren sich ungebremst. Einen Tag weiter in Kroatien stand auf dem Bartresen alle zwei Meter eine Flasche Autan zum freundlichen Gebrauch für die Gäste.
In einem seiner 5 Bücher über die Schifffahrt auf der Donau berichtet der Wiener Ingenieur Ernst Neweklowski über eine Sage, die mit der Mückenplage zu tun hat.
In Serbien dann konnte der Fahrradpartner seinem Partner auch mal behilflich sein. Der hatte nicht die geringste Vorstellung, dass in Serbien die kyrillische Schrift gilt. Speisekarte lesen, keine Chance! Die wichtigsten Begriffe konnte der Fahrradpartner jedoch lesen und verstehen, Schaschliki, Paparka konnten wir dann bestellen. Und sage noch jemand, dass die Grünen nicht scharf wären!
Die Kommunikation zwischen den Fahrradpartnern war arg eingeschränkt. Sein einziges deutsches Wort war Kaiserslautern, da ist er gestartet. Sein Französisch hab ich nicht verstanden und er sprach weder Englisch oder Spanisch, aber wir wurden ein Herz und eine Seele.
Unterwegs hatten wir noch das Vergnügen eine Hochzeit auf dem Marktplatz mit zu erleben und dabei auch mit zu trinken, die Slibowitzflasche kreiste und kam mehrmals bei uns vorbei. Danach hat das Radfahren noch mal so viel Spaß gemacht.
In Turnu Severin am Ende des Eisernen Tores trennten sich unsere Wege. Alain musste seinen Flieger in Constanta erreichen und ich wollte weiter nach Siebenbürgen und noch ein paar Kirchenburgen kennen lernen. Dazu mehr im Kapitel „Rumänien“.
Nun steht der Vergleich an, Donauradweg oder Donaukreuzfahrtschiff. Eindeutiger Sieger, der Radweg, man erlebt einfach mehr und lernt die Länder viel intensiver kennen, man ist mitten drin. Vom Schiff aus sieht man nur das Ufer und hat keine Ahnung, wie das Leben dahinter aussieht. Auch wenn einem auf dem Radweg nicht nur Schönes begegnet ist, so sieht man noch heute Kriegsruinen in Vukovar und in Serbien elende Romasiedlungen am Rand der Städte. Im Gegensatz zur Slowakei, wo der Fahrradpartner beim Durchfahren solcher Siedlungen echte Angst hatte, war das in Serbien nie der Fall und in Rumänien ebenfalls nicht aber dazu an anderer Stelle mehr.
Das sieht man vom Schiff natürlich alles nicht. Da fährt man in edlem Ambiente vorbei und muss zu anspruchsvolle Vorträge über sich ergehen lassen oder abends den Udo Jürgens Imitator erdulden. Also, so lange ihr noch die Lust und die Kondition zum Radeln habt, nicht Schiff fahren! Dass der dicke Alain und ich immer mehr als 100 km am Tag geradelt sind, lag an seinem engen Zeitplan, sein Fahrrad zu einem festen Termin bei einer internationalen Versandfirma abzuliefern und dann noch den Flieger zu kriegen. Es gibt Unterkünfte in geringeren Abständen, 100 km sind kein Muss, also traut euch!
Übrigens: Die Brücke (Foto) mit Eisenbahngleisen war Drehort im Film "Weißer Kater, schwarze Katze" von Emir Kosturica