Kettle Valley Rail Trail
Ein Traum, seit dem der Fahrradpartner einen Vortrag des Erfinders dieser Radroute Klaus Gattner erlebt hat.
Die Radroute nutzt die ehemalige Trasse der Kettle Valley Railway. Diese war eine Bahnlinie und Tochtergesellschaft der Canadian Pacific Railway, die im Süden der kanadischen Provinz British Columbia fuhr. Sie verband Hope mit Penticton und führte aufgrund des bergigen Terrains über viele Brücken und Tunnel. Die Bahnstrecke wurde 1915 als Erzbahn eröffnet, Teile davon schon ab 1961 und endgültig bis 1989 stillgelegt. In den 60iger Jahren gab es sogar Planungen, die Kettle Valley Railway als Hauptstrecke auszubauen, um die Trasse der Canadian Pacific Railway über den Kicking Horse Pass zu entlasten. Dazu kam es nicht. Der Lkw war eine insbesondere für den Transport der landwirtschaftlichen Produkte zu große Konkurrenz für die Eisenbahn.
Am 20. Juni 2002 wurde ein 9,6 km langer Abschnitt im Myra Canyon mit mehreren Tunneln und Trestle-Brücken aus Stahl und Holz zur National Historic Site of Canada erklärt. Die Brücken wurden ein Jahr später durch einen verheerenden Waldbrand (Okanagon Forest Fire) vollkommen zerstört, jedoch durch Beschluss der Provinzialregierung von B.C. in den folgenden Jahren vollständig nach den historischen Vorbildern wieder aufgebaut.
Nun also dient die Bahntrasse als Radroute und ist Teil des Trans Canada Cycle Way. Bahntechnisch exakt beginnt der Kettle Valley Rail Trail in Grand Forks, die Fahrradtour startet in Castlegar.
Die erste Etappe hält für Radler gleich, im wahrsten Sinne des Wortes, einen Höhepunkt bereit, die Fahrt zum Bulldog Tunnel. 900 Höhenmeter auf einer Strecke von 45 Km fährt man ja locker auf mittlerer Übersetzung in gut drei Stunden (unter Bedingungen, wie man sie von z.B. spanischen „Via verdes“ kennt) aber nicht in Kanada. Der Weg ist zerpflügt von Quads und Geländemotorrädern. Abschnittsweise war Schieben angesagt, es ging im Sand nicht mehr. Anstelle der erwarteten drei Stunden wurden es mehr als fünf. Und dann das Abenteuer Bulldog Tunnel! Unterwegs fanden wir immer wieder Spuren und andere Hinterlassenschaften von Bären, - und nun durch den 950 m langen unbeleuchteten Tunnel schieben, fahren war wegen der gewaltigen Schlaglöcher nicht möglich. Waren wir allein im Tunnel oder war doch ein auf Radler nicht gut zu sprechendes Tier anwesend?
Geschafft, kurze Pause und dann wieder 50 km bergab, die Zeit rannte davon und auf der Fahrt setzte die Dämmerung ein. Das Schlimmste, was hätte passieren können, wäre Mutterbär auf der einen Seite des Weges und Babybär auf der anderen und die Radler dazwischen. Das hätte den sofortigen Angriff der Bärin verursacht. Bergabradeln hätte auch nichts gebracht, ein Grizzly läuft bis zu 70 Km/h, keine Chance für Radler. Uns wurde verdammt mulmig, wir haben geklingelt, gesungen, laut geredet und das Bärenspray war griffbereit am Lenker. Hinter jeder Wegbiegung hätte der Bär stehen können. Wie sagte man uns im Touristenbüro, „so as cars are on the road, there are bears in the forest! Und wegen der in den höheren Lagen abgebrannten Wälder haben die Bären ihren Lebensraum verloren und sind auf der Suche nach Futter in tiefere Lagen gezogen. In Gärten der Dörfer haben sie sich schon über die Obstbäume hergemacht.
Bei Einbruch der Dunkelheit wurde endlich der Ort Christina Lake erreicht und eine Unterkunft in einer gemütlichen Lodge gefunden. Nur gab´s in diesem Ort keinen Laden, um noch abends Lebensmittel kaufen zu können. Die Lodge Besitzerin wusste Rat, sie rief ihren Mann an, der unterwegs war und für uns Lebensmittel besorgen konnte. Bald brutzelten riesige Burger in der Pfanne, ein Cariboo Beer in der Hand und die gewaltige Anspannung wich langsam von uns Radlern.
Die folgenden Etappen sind weniger erwähnenswert. Bei Gand Forks war dann der Weg so katastrophal, knietiefer Sand, dass wir auf der parallel verlaufenden Straße geradelt sind und nicht gemerkt hatten, dass sich Bahntrasse und Straße voneinander getrennt hatten. Aber auch hier stand uns das Glück in Person eines kanadischen Radlers zur Seite, der uns gerade noch im richtigen Moment auf den Abzweig zur Radroute aufmerksam gemacht hat, … steil hoch schieben zum ehemaligen Rangierbahnhof Eholt.
Wie können erfahrene Radler den Weg verfehlen?
Sie hatten keine Karte!... und die Straßenkarten haben den Radweg natürlich nicht dargestellt. Der Fahrradpartner hatte bei einer Fahrradinitiative in Penticton die Routenkarten bestellt. Da aber die Zeit vor der Abreise knapp wurde, sollten die Karten zur ersten längeren Unterkunft der Reise nach Jasper geschickt werden. Da die griechische Wirtin (Jasper ist fest in griechischer Hand) mit von ihr nicht bestellten Landkarten nichts anzufangen wusste und ihr auch der Name des Gastes, der die Karten bestellt hatte nichts sagte, hat sie die Sendung kurzer Hand in den Müll getan. Sie hat ihren Fehler eingesehen und den Preis erstattet, nur damit konnten die dringend benötigten Karten nicht ersetzt werden.
Eine kurze Schlechtwetterphase konnte in Beaverdell überbrückt werden. Der Lodgekeeper kannte die Vermieterin einer Unterkunft für die nächste Etappe, die so freundlich war und unsere Lebensmittel und einen Teil vom Gepäck im Auto mitgenommen hat. So waren die nächsten gut 80 km immer Berg auf und Berg ´runter auf der Landstraße locker zu fahren. Auf der Bahntrasse, also dem Radweg, sich durch den Sand zu wühlen, hatten wir schon längst wieder aufgegeben.
Im Quartier angekommen folgte die nächste nicht so schöne Überraschung, das Apartment roch nach altem Keller und die Ausstattung war vom Sperrmüll zusammen gestellt. Na ja, eine Nacht….
Wir haben uns dann wieder auf die Räder geschwungen, um die Gegend zu erkunden und kamen an einer traumhaft schönen Lodge vorbei. „Muss mal fragen, was es da kostet.“ Die Wirtin hatte Mitleid mit den Radlern aus Germany und bot ihnen an, bei ihr im, ja, der Name muss hier genannt werden, im Idabel Lake Resort kostenlos zu übernachten. Als Dank hat der Fahrradpartner versucht, der Wirtin gute Tipps zu Förderung des Radtourismus zu geben und ihr die entsprechenden Newsletter vom ADFC in englisch zu bestellen. In Vancouver sollte im Ende des Jahres eine Konferenz zur Zukunft des Rail Trails stattfinden.
Das Idabel Lake Resort war das Paradies, uns wurde noch angeboten, mit einem Kanu auf den See hinaus zu paddeln.
Lodgekeeper haben uns ihr Leid geklagt. Wegen der grauenvoll schlechten Wegqualität kommen immer weniger Gäste, die Radfahrer vor allem aus Deutschland und der Schweiz hätten in den vergangenen Jahren häufig Übernachtungen gebucht. Jetzt aber wird ihre Zahl immer geringer. Bald müssen die Lodges geschlossen werden und dann gibt es keine Übernachtungsmöglichkeiten mehr in für Radfahrer günstigen Entfernungen, eine Teufelskreis. Ein Ehepaar hat uns berichtet, dass z.B. ehemalige drogenabhängige Jugendliche von der Social Welfare die Quads bekämen, um ein wenig Freude im Leben zu haben. Die wirtschaftlichen Belange der Lodgekeeper bleiben unberücksichtigt.
Die Fahrradpartner erwarten trotz der Konferenz keine gute Zukunft für den Kettle Valley Rail Trail.
Das nächste Highlight war die Tour durch den berühmten Myra Canjon mit den bereits erwähnten Trestle Brücken, die man aus Westernfilmen kennt. Die Bahntrasse windet sich in langen Kurven am Hang entlang, um langsam aber stetig an Höhe Richtung Okanagan Lake zu verlieren. Die Seitentäler werden über die Trestles gequert. In diesem Abschnitt ist der Weg perfekt, es gibt sogar einen Fahrradverleih. Da kann man mit Einheimischen, die das erste Mal auf einem Fahrrad sitzen, lustige Szenen erleben, der Sattel so tief, dass die Knie fast an die Ohren gehen.
Bereits kurz nach dem Tourispektakel trafen wir auf eine der erwähnten Gruppe Jugendlicher auf Crossmaschinen, ein Bearencounter hätte uns das Herz nicht tiefer rutschen lassen können, but we survived.
Mit herrlichen Ausblicken auf das Weinbaugebiet im Okanagan Valley erreicht die Trasse die Stadt Penticton. Hier musste die Entscheidung zur Weiterfahrt gefällt werden. Noch zwei Tage in westlicher Richtung nach Hope oder nur noch einen halben Tag auf dem Südast der Kettle Valley Railway nach Osoyoos an der Grenze der USA.
Kanadische Radler, die den Weg in Gänze kannten, haben einhellig berichtet, dass der Weg in westlicher Richtung noch schlechter wäre, als alles, was wir befahren haben. Damit war die Entscheidung leicht gemacht. So wenig gut die Bedingungen auf diesem Radweg waren, so traurig waren die Fahrradpartner doch über das abrupte Ende der Tour in Osoyoos.
Mit dem Bus ging es dann viel zu schnell nach Vancouver.
Exkurs: Radfahren in Vancouver
In Vancouver haben wir die ersten protected bikelanes erlebt, die aber als Gegenrichtungsradwege schmaler sind, als die in Berlin geplanten bzw. realisierten Einrichtungswege. Radfahren ist in Vancouver nur etwas für ganz junge Leute auf Rennrädern, die mit einem für Berliner Verhältnisse unvorstellbaren Tempo an den beiden vom Dorf kommenden Berlinern vorbeirasen. Trotz der protected bikelanes und vieler für Radler ausgewiesener Straßen (man muss sich die Fahrradroutenkarte im Fremdenverkehrsamt am Canada Place besorgen!) ist Vancouver kein Fahrradparadies. In den nicht ausgewiesenen Straßen, ist Radfahren schlicht verboten. Das hieß im Fall der Fahrradpartner , vom oder zum Hotel erst mal 600 m schieben!
Dafür ganz easy, Fahrradmitnahme im, besser gesagt, vorne auf Fahrradträgern am Bus. Man muss sich auf Wartezeiten einrichten, z.B. beim Bus zur Fähre, da nur zwei Räder mitgenommen werden können!
Noch ein Exkurs: Galloping Goose Rail Trail auf Vancouver Island
Galloping Goose wurde ein im Personenverkehr eingesetzter Lastwagen auf Eisenbahnschienen genannt, der bei der Fahrt so ruckelte wie eine galoppierende Gans.
Der Trail beginnt in Victoria, der Hauptstadt von British Columbia gleich jenseits der Esquimalt Road Bridge vor einem automatischen Fahrradzählpunkt, an dem vorrangig Fahrradpendler gezählt werden.
Die Route führt in westlicher Richtung zum East Sooke Inlet durch erste kleine Flecken des Northern Rainforest und dann nach Norden nach Leechtown. Diese kurze Route entschädigt für viele Misslichkeiten auf den KVRT. Der Weg ist im ersten Abschnitt asphaltiert und dann mit einer gepflegten wassergebundenen Decke ausgestattet. Als Tagestour könnte man auf kleinen Landstraße weiter in nördlicher Richtung auf den Trans Canada Trail stoßen und wieder zurück nach Victoria radeln. Wir sind wieder zurück nach Sooke geradelt und haben einen Tag am Pacific Rim verbracht. Nicht genug geradelt, eine Tour mit einem Hobie Kayak (West Coast Outdoor Adventure), das mit Fahrradpedalen unter dem Boot montierte Flossen antreibt, bei trüben Wetter auf dem Inlet war das erstaunliche Ende eines Fahrradurlaubs.
Wie kommt man hin?
Schwierig!
Die Fahrradpartner sind nach Edmonton geflogen und mit einem Mietwagen durch die Rocky Mountains mit den Nationalparks von Banff und Jasper nach Calgary gefahren und von dort nach Castlegar geflogen. Es gab keine andere Möglichkeit auf anderem Wege dort hin zu kommen. Es gibt dort keine Verleihstation für die Mietwagenrückgabe und von Calgary nach Castlegar mit dem Greyhound hätte zwei Tage gedauert.
Ein Foto zeigt die Fahrradpartnerin beim Montieren der Fahrräder in Castlegar Airport
Fazit:
Wäre der KVRT nur ansatzweise so gut gepflegt wie der Galopping Goose Trail, würde dein Fahrradpartner die Tour empfehlen, aber unter den genannten Bedingungen, nee Sportsfreunde so nicht. So leid es dem Fahrradpartner um die immer hilfsbereiten Lodgekeeper tut.