Westcoast USA
USA mit dem Fahrrad, geht das überhaupt?
Zum Highway 1 bzw. 101 gab es sogar ziemlich umfassende Literatur. Der wichtigste Hinweis bestand darin, von Nord nach Süd zu fahren, um auf der Küstenseite zu radeln und die spektakulären Blicke auf den Pazifik genießen zu können.
Der Beginn der Route hält mit Seattle schon ein Highlight bereit. Pike Place Market mit „Deep Flying Fish“, wo wirklich Fische durch den Laden fliegen, geworfen von einem Verkäufer zum nächsten und dann zum Kunden!
Die Fahrt mit der Monorail einem Relikt der Weltausstellung hoch über den Straßen der Stadt bietet tolle Ausblicke. Damals war es für mich geradezu sensationell, Polizeistreifen auf dem Fahrrad zu erleben, die Cops fuhren auf für den Einsatz perfekt ausgestatteten Mountainbikes, die, wie sie mir berichteten, es zulassen, auch über die vielen Treppen in der Stadt zu fahren zu können. Sie wären mit den Bikes schneller als mit jedem anderen Fahrzeug.
Um nach Port Angeles zu gelangen, wo auf der Olympic Halbinsel der Highway 101 zu erreichen ist, muss die Fähre nach Victoria auf Vancouver Island genommen werden. Dort startet dann die Fähre nach Port Angeles. Das war eine tolle Überraschung, so ungeplant einen Abstecher nach Kanada machen zu müssen. Victoria habe ich seit dem zwei oder drei Mal besucht und diese Stadt zählt weiterhin zu den Lieblingsorten.
Die Passage von Seattle durch den Puget Sound war schon spektakulär, aber die Überfahrt in die USA toppte alles, was ich an (wenigen) Schiffsfahrten erlebt hatte, der Blick auf die schneebedeckten Zweieinhalbtausender im Olympic NP vom Schiff aus, war einfach traumhaft schön.
Angekommen in den USA begann am frühen Abend die Suche nach einer Unterkunft. In einem Laden habe ich dann mal nachgefragt und die Auskunft erhalten, dass an der Straße „10 minutes by car“ ein Motel sei. Die Mitarbeiterin hat gesehen, dass ich mit dem Fahrrad unterwegs bin und nun schwerlich einschätzen kann „what does it means 10 minutes by car“.
Und auf meine genervte Gegenfrage, „and how far by helicopter?“, kam die vollkommen ernsthafte Antwort, „sorry I don´t Know how far by helicopter!“
Also losradeln und hoffen, dass bei der zulässigen Geschwindigkeit das Motel so nach 15 Km auftaucht; es waren dann doch deutlich mehr als 10 minutes, wie ich dann am nächsten Tag sehen konnte. Ein anderes Motel lag nur wenige Minuten entfernt am Ende der Stadt.
Die nächste Nacht fand dann schon im Olympic Nationalpark statt, so dass eine ausgedehnte Wanderung durch den Quinault Rain Forest unternommen werden konnte. Einen Northern Rain Forest zu erleben, war ein interessantes Erlebnis, das „Spanish Moss“ hängt von den Ästen, es tropft überall von den Baumkronen, alles bei angenehm kühlen Temperaturen. Den klassischen tropischen Regenwald habe ich bis heute nicht kennen gelernt.
Einziges Problem und recht unangenehmes Problem für Radler sind die riesigen Timber Trucks, die mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit über die Straßen donnern. Es hilft nur eins, weg von der Fahrbahn und anhalten. Dem Sog dieser Fahrzeuge kann man beim Fahren nichts entgegenhalten. Die Gebiete außerhalb des Nationalparks sind Reservate und die „First Nations“ holzen ab, was geht. Die gewaltigen Stämme der Western Red Cedar (eine Thujaart) werden überwiegend, so wurde mir berichtet, nach Japan exportiert und dort zu Essstäbchen zerschreddert.
Nach der Fahrt über die gewaltige Brücke der Columbia Mündung wird bei Astoria der Bundesstaat Oregon erreicht, die amerikanische Radlerhochburg.
Autofahre fahren rücksichtsvoller und wenn Tunnel zu durchfahren sind, drücken Radfahrer einen Signalknopf, der Autofahrern das Zeichen gibt, „Attention – Cyclists in Tunnel“ oder sperren sogar den Tunnel in Fahrtrichtung für Autoverkehr“
Entsprechend entspannt geht es die Küste weiter Richtung Süden, immer mit grandiosen Ausblicken auf die zerklüftete Küste. Berühmt ist der Cannonbeach mit seinen Felsformationen.
In Tillamook, der Stadt aus der der gute Käse stammt, empfiehlt es sich den Highway 101 zu verlassen, und die kleine Küstenstraße 131 zu radeln, immer an der Küste entlang und kein Durchgangsverkehr!
Auch wenn in Oregon Radfahrer auf dem Statehighway kein seltenes Bild sind, haben Autofahrer doch Probleme, das Tempo von Radlern richtig einzuschätzen.
So hätte an einer engen Stelle meine Tour oder auch das Leben auch zu Ende sein können.
Ein Gespann, das man sich hier in Deutschland nicht vorstellen kann, ein Wohnmobil in Busdimension an dem ein Mittelklasse Pkw hing und an dem noch eine veritable Hochseeyacht. Das Schiff fuhr nur noch wenige Zentimeter an mir vorbei, Vollbremse, tief durchatmen und dankbar weiter fahren.
Nach der Querung der Brücke über die Mündung des Coos River sollten Radfahrer den 101 wieder verlassen und die Seven Devils Road entlang der Küste weiter radeln. Vor Seven Devils gab es ausnahmsweise keine Motel. Aber in einem Lokal fand ich äußerst hilfsbereite Gäste, mit denen ich mich den ganzen Abend angeregt unterhalten habe, durchaus sehr kontrovers über Waffenbesitz und ähnlich heikle Themen, aber man hat sich gegenseitig respektiert und vor allem zugehört. Diese gastfreundlichen Leute haben mein Rad auf den Pick-up geladen und mich zu einem Motel, leider in Gegenrichtung, gefahren.
Als ich dann auf der Seven Devils Road unerwartet an ihrem Haus vorbei kam, gab es ein herzliches Widersehen.
Die Motels in Oregon waren fast alle mit Küchen ausgestattet. Wenn ich dann in einem schönen Motel ein Zimmer gefunden habe, wurde die Fahrradtasche ausgekippt und ich bin zum nächsten Supermarkt gefahren. Shrimps oder anderes Seafood, eine Flasche Columbia wine, Sahne und Nudeln oder Brot bildeten die Grundlage für ein perfektes Dinner im Zimmer. Der Höhepunkt war ein kleines Motel direkt an der Küste. Innerhalb von Minuten zog Nebel vom Meer aufs Land und bei mir wärmte das Kaminfeuer und meine erste Nacht in einem Wasserbett wartete. Draußen kalt und nass und ich schaukele im gewärmten Wasserbett, besser geht´s nicht.
Die Tage waren dann aber wieder angenehm sonnig, beste Voraussetzungen für die nächsten 150 Kilometer bis nach California. Nach einer weiteren Tagesetappe stand die große Entscheidung an: Weiterfahren auf dem Highway 101 oder den Abstecher zum Redwood National Park. Die Steigung zum National Park mit dem vollbepackten Tourenrad und der im Verhältnis zu heutigen Übersetzungen doch bescheidenen Schaltmöglichkeiten, war dann doch zu heftig. Eine dennoch schwere Entscheidung.
Aber ca. 140 km weiter südlich gibt es eine gleichwertige Entschädigung: „The Avenue of the Giants“ im Humboldt Redwood Statepark. Die Straße schlängelt sich auf einer Länge von ca. 50 Km durch einen Wald mit Küsten Redwoods, die mit durchschnittlich 80 m die als höchsten Bäume der Welt bekannt sind. Einzelne Exemplare sind bis zu 110 m hoch gewachsen. Die Küstenredwoods werden häufig mit den Giant Redwoods verwechselt, die aber ausschließlich in der Sierra Nevada gedeihen.
Unter den Kronen solcher Bäume entlang zu radeln, bleibt unvergesslich.
Weiter südlich in Leggett zweigt nun der Highway 1 California vom 101 ab und einen Tag später war Mendocino erreicht. „I love you so, Please don' t go, Please stay here with me in Mendocino“, die Melodie des Song vom Sir Douglas Quintett aus Texas dreht sich als Endlosschleife in den Ohren.
Mendocino entpuppte sich als Ort einer Ansammlung von Galerien und Organic food stores. Auf der Suche nach einer bezahlbaren Übernachtung bin ich in einen dieser anheimelnd eingerichteten Bioläden gegangen und welch Glück bei einer dort hängen gebliebenen deutschen Besitzerin gelandet. Nach langem Telefonieren hat sie endlich ein B&B Home für mich gefunden. Es dämmerte und der Weg zum B&B schien nicht so weit zu sein. Nur durch einen kleinen Fehler wurde die Fahrt zum Abenteuer. Das B&B lag an einem Loop und ich bin gleich in die Straße abgebogen, es wurde dunkel und noch immer war das Haus nicht erreicht. Langsam wurde mir mulmig, ich hatte in der absoluten Dunkelheit keine Orientierung mehr. Dann nach ungefähr 12 – 15 Km war vor mir ein Blinklicht zu sehen, der Wirt leuchtete mit der Taschenlampe. Die lange Fahrt erklärte sich damit dass die Straße an der das B&B lag als, einen Kreis beschrieb und ich gleich rechts in die Ringroad eingebogen anstatt vielleicht 200 m weiter zu fahren und dann rechts …, dann wäre ich in wenigen Minuten am Ziel gewesen und hätte diese Ringroad nicht in voller Länge durch die Nacht fahren müssen, ja damals als es noch kein Navi gab!
Die Leute hatten sich echt Sorgen gemacht und waren kurz davor, die Polizei zu verständigen. Aber nun war alles gut und ein kleines Dinner war auch schon vorbereitet. Der Tisch, an dem ich saß, war aus einem Stamm gefertigt und hatte eine Länge von wenigstens 6,00 m, wahnsinnig beeindruckend. Überhaupt, in einem so stilvoll eingerichteten Haus habe ich vorher noch nie übernachtet. Die Besitzer waren Künstler und am selben Tag erst von einer Europareise zurückgekehrt. Daher waren sie noch überhaupt noch nicht auf Übernachtungsgäste eingerichtet, aber einem Radfahrer aus Germany muss man einfach helfen. Dann wurde ich in die Galerie geführt und der Hausherr zeigte mir ein von ihm gemaltes Bild, das ich dort absolut erwartet hätte, der Blick auf den S-Bahnhof Friedenau mit dem S-Cafe und der Bahnhofshalle. Meine Gastgeber haben im Haus gegenüber gewohnt, … es wurde ein längerer unterhaltsamer Abend.
Die Küstenstraße hat sich als harte Herausforderung gezeigt. Erst mal alles gut, eben zu fahren, Blick auf das Meer und dann geht die Straße steil hinab zu einer Flußquerung, Brücke im rechten Winkel zur Straße, Fortsetzung nach der Brücke ebenfalls wieder echter Winkel, keine Chance etwas Schwung mitzunehmen um wieder ´hoch zufahren. Diese gemeine Straßenführung hat mich so mindestens 6 – 8 mal am Tag in die Waden gebissen. Irgendwann hab ich´s gesteckt und habe geschoben. Kommt man auch an!
Nur noch zwei Radltage vor San Francisco erwartete mich ein gutes Stück Russland in Kalifornien, Fort Ross, kurz für Rossija. Fort Ross war der südlichste Handelsposten der russisch-amerikanischen Handelskompanie. Die in Fort Ross stationierten Russen haben vor allem Lebensmittel von den weiter südlich gelegenen spanischen Niederlassungen zur Versorgung ihrer Pelzjäger in Alaska erworben. Die Weltgeschichte hätte sich auch vollkommen anders entwickeln können?!
Nicht mehr lange und ich fahre durch Sausalito, die Gemeinde, die durch ihre Hausboote berühmt geworden ist.
Aber der Höhepunkt der Tour war nun nur noch wenige Kilometer entfernt und endlich ragte die Golden Gate Bridge vor mir auf, im Hintergrund die Skyline von San Francisco. Von diesem Blick kann man sich nur schwer lösen. Nun war es so weit, langsam fuhr ich die Steigung vom Golden Gate View Point über Camino Real zur Golden Gate Bridge aufwärts. Gänsehaut pur!!! This feeling I never will forget, auch jetzt noch beim Schreiben packt es mich an.
Mit dem Fahrrad über die Golden Gate Bridge ist wohl d e r Höhepunkt im Leben eines Tourenradlers. If you´r going to San Francisco …der selige Scott McKenzie, no more Love-in there.
Die Fahrt nach Downtown war ziemlich unheimlich, völlig leere Straßen, ein Motel mit vergittertem Cashdeck und einer Gun an der Wand hinter dem Kassierer, … also noch weiter bis zum YMCA.
Nach so vielen Erlebnissen war es angenehm in einer der schönsten Städte der Welt angekommen zu sein und sich treiben zu lassen, die vielen Highlights brauche ich wohl nicht aufzuzählen.
Die Radtour sollte noch weiter gehen. Doch im B&B vor San Francisco haben mir Gäste berichtet, dass kurz vor Santa Cruz an der Monterey Bey die Küstenstraße durch einen Erdrutsch verschüttet oder die Straße abgerutscht sei.
`Rumtelefonieren …, kein Straßenamt zuständig, ist bei uns nicht bekannt, ist anderes County, sorry have no fonenumber ans so on.
Einfach losradeln war mir dann doch ohne zu wissen, wo der Erdrutsch ist, zu heikel. Denn falls auch mit dem Fahrrad die Querung, vielleicht etwas oberhalb der Stelle am Hang entlang schieben nicht möglich gewesen wäre, hätte ich die Strecke zurückfahren müssen, da es damals auf etwa 50 Km keine Übernachtungsmöglichkeit bestand.
Damit war die Tour schneller beendet als gedacht.
Das Flugticket umzubuchen, war damals absolut kein Problem. Die Zeit reichte noch gerade eine Kiste aufzutreiben, in der das Rad zu verpacken war, und ab zum Airport.
Der Blick aus dem Fenster machte den Abschied leichter, eine durchgehend dicke Wolkenschicht verbarg die Küste, es sah verdammt nach schlechtem Wetter aus.